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Ambros & Prokopetz | Fäustling | Amadeo / Universal

Plattensammlern wird es die Tränen in die Augen treiben. Jene, die in ihren Regalen das Doppel-Album ‚Fäustling‘ stehen haben, werden trotzdem nicht weinen müssen, denn der Fäustling wurde zwar aus den tiefen Kellern des Archivs wieder in die höheren Stockwerke im Wiener Universal-Gebäude geholt, aber sein zweites Leben wird das Bühnenspiel aus der Feder der Herren Ambros und Prokopetz auf CD erleben.

Das Original-Album mit der Katalog Nummer 500.007, Label: Atom, wird seinen Wert in den diversen Raritätenbörsen zu verteidigen wissen. „Wie Gold wird das Album heute auf ebay gehandelt“,  erzählt Wolfgang Ambros, und in der Tat ist der Fäustling ein eigenwilliges Stück österreichischer Popularmusikgeschichte.

Man darf ihn sogar bahnbrechend nennen, den Fäustling.

Ein Experiment, welches die ‚Arena 73‘ einläutete. Und das jetzt auf CD wieder erhältlich ist.

 

Der ‚Fäustling‘ oder die Wiederentdeckung einer wienerischen Perle

Die ganze Geschichte begann im Grunde ein Jahr zuvor, 1972 – die Wiener Festwochen wollten sich selbst entstauben und unter dem Namen ‚Arena 72‘ wurde im Zwanzgerhaus (ehemaliges Museum des 20. Jahrhunderts, heute das Museum des 21. Jahrhunderts) allerhand Popkulturelles probiert. Ein Gegenfestival zum traditionellen Kulturbetrieb sollte es werden. Der damalige Generalintendant Professor Ulrich Baumgartner engagierte das durch den Erfolg des ‚Hofa‘ in Österreich gerade höchst angesagte Duo Joesi Prokopetz und Wolfgang Ambros für ein Projekt mit dem Titel ‚The Alchemist‘. Im Grunde ging es darum, aus einem klassischen, englischen Stoff ein heutiges Werk zu machen. Der Alchemist wurde ein großer Erfolg und legte den Grundstein zu unserem eigentlichen Thema, dem Fäustling.

Professor Baumgartner schlug vor, für das Jahr 1973 ‚etwas eigenes zu machen‘, aber jetzt wird’s kompliziert, denn zwischen dem Alchemist und dem Fäustling gab es erste Live-Fragmente eines Singspieles, welches sich bis heute größter Popularität im Land und bei den Nachbarn erfreut: Der Watzmann, der dem Professor ebenso 1972 angeboten wurde, hat das mit einem ‚Wenn euch das so am Herzen liegt, dann macht’s das‘ abgesegnet. Zwölf Minuten war das Ur-Fragment des Watzmann lang, aufgeführt auch im 20er-Haus, als Zugabe der anderen Art zum Alchemisten … und ein Bringer, aber das ist eine andere Geschichte.

Das Projekt 1973 ging unter dem Namen ‚Fäustling‘ an den Start. Ein kleiner Faust, inspiriert von Goethe, ins wienerische geholt von Joesi Prokopetz. Am Papier war das Werk von Prokopetz schon teilweise festgehalten, nun ging es darum es auf der Bühne umzusetzen. Ein Beamtenschicksal, das des Heinrich Fäustling, dem der Teufel als Verführer begegnet: ein geregeltes Beamtenleben oder die Freiheit, es krachen zu lassen – den Nachbarn unter den Tisch zu saufen, jünger zu werden, der Fleischeslust mit der braven Sekretärin Grete nachgehen zu können, im Kopf des Herrn Fäustling brach sich die andere Welt bahn…

Joesi Prokopetz und Wolfgang Ambros um 1972

„Wir waren damals 21 Jahre alt und nach dem Erfolg vom Hofa haben wir geglaubt, alles geht so weiter“, erinnert sich Joesi und unter ‚alles geht so weiter‘ muss man sich die Welle der Popularität vorstellen, auf der die beiden Künstler gerade ritten. Wenn Wolfgang Ambros an den Fäustling zurückdenkt, dann war das für ihn in erster Linie ein großes Abenteuer: „Wir hatten ja vor Ort keinen richtigen Regisseur, das hat dann der Joesi gemacht, so haben wir auf unsere Art Lieder und Szenen zusammen gestückelt und am Ende war’s a Mords-Gaude“. Als Band fungierten die Schmetterlinge, Christian Kolonovits arrangierte die Titel und mit dabei waren unter anderem die Schauspieler Elga Weinberger, Angelika Schütz und Alexander Wächter. Der vom Dadaismus inspirierte Jazzer, das Multitalent Uzzi Förster († 1995) spielte den Erdgeist und bis heute zählt sein ‚Alles auf dieser Welt ist Utrilitten‘ zu den faszinierendsten, kreativsten österreichischen Musikspielereien.

Beim Publikum der Festwochen 1973 ist der Fäustling gut angekommen. „Achtmal waren wir ausverkauft“, so Joesi Prokopetz und im Nachsatz erinnert er sich auch zu gut an die Kritik der Süddeutschen Zeitung: „Aus den Regiefehlern des Prokopetz könnten Generationen von Reinhardt-Seminaristen etwas lernen… Heute sehe ich das als wunderbaren Satz und es stimmt ja auch, es war der pure Übermut, die Regie zu übernehmen“. Das tat er, quasi aus dem Stand. Vom Handwerk unbeleckt, aber mutig. Die Diskrepanz zwischen Buch und Regie tat dem Ganzen jedoch keinen Abbruch. Das Bühnenstück war abendfüllend und enthielt wesentlich mehr eingewienerte Faust-Zitate als auf dem Doppel-Album zu hören sind. Wiewohl Doppel-Album bereits als leichte Übertreibung zu werten ist: Tatsächlich hatten die LPs nur drei Seiten. Die vierte blieb unbespielt. Aber wieso nur drei Plattenseiten, Herr Ambros?:  „Na, da war’s halt aus“. Eh klar, aus halt.

Jetzt kommt die Fäustling-CD. Die Basis dafür ist das Original-Album, übrigens das letzte welches Wolfgang Ambros seiner Firma, der einstigen PolyGram, vertraglich abzuliefern hatte. Die damalige Chefetage hatte sich zu entscheiden: Entweder den Fäustling oder das, was da als Watzmann, eine Weiterentwicklung des Fragmentes von 1972 am Horizont aufzutauchen schien. Man entschied sich bei der Firma für den Fäustling und spekulierte mit der Werbekraft der Festwochen. Der Rest der Geschichte ist bekannt. „Klar, das wäre mir auch lieb gewesen, hätte der Fäustling eine ähnliche Popularität erreicht wie der Watzmann“, sagt Joesi Prokopetz heute und verrät auch, dass es offenes Gedankengemurmel gibt, den Fäustling in kleiner Form, kleiner musikalischer Besetzung als Lesedrama wieder aufzuführen. Lass das Gemurmel von der Leine, Herr Prokopetz, der Fäustling wird 40 und das ist doch ein handfester Grund, dem Ganzen wieder Leben einzuhauchen. Heinrich Fäustling gibt’s auch heute noch in Geschwaderstärke und den Teufel sowieso.

andy zahradnik

 

 

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