Denkwürdiger Abschluss eines zehnjährigen Prozesses: kürzlich wurde in der Landwirtschaftlichen Fachschule in Warth mit dem Buch „Eine Bucklige Welt – Krieg und Verfolgung im Land der tausend Hügel“ der dritten und letzten Band der Lebensspuren-Reihe von Dr. Johann Hagenhofer vorgestellt.
Gemeinsam mit seinem Buch-Team hat Dr. Johann Hagenhofer mit Schülern und Lehrern der Fachschule Warth das Buch vorgestellt. Bei so manchem der knapp 500 Besucher sorgten die Erinnerungen für reichlich Gänsehaut. Moderiert von Martina Piribauer haben die Schüler einzelne Passagen aus dem druckfrischen Buch vorgetragen und Projektverantwortliche ebenso wie Zeitzeugen in Interviews zu Wort kommen lassen. So haben sie den wissenschaftlichen Leiter des Projekts, Dr. Gert Dressel, über die Besonderheiten des neuen Lebensspuren-Bandes befragt. „Wir belehren nicht, sondern wir lassen die Menschen selbst zu Wort kommen. Aus unterschiedlichen Perspektiven haben sie uns ihre Geschichte erzählt. Im Buch finden daher nicht nur Erzählungen von Soldaten Platz, sondern auch die Erinnerungen von jenen, die desertiert sind“, so Dressel, der mit dem neuen Buch auch einen Bezug zur heutigen Zeit herstellt, „Es geht um Verantwortung. Die Themen Ausgrenzung und Verfolgung gehen bis in die Gegenwart. Es geht darum, Vorurteile abzubauen.“
Zeitzeugin Hermine Kosak erzählte über die damaligen Lebensumstände in ärmlichsten Verhältnissen, und erinnerte sich an den Absturz eines amerikanischen Fliegers ebenso wie über den mutigen Einsatz des Hüttenwirts Hans Angerer am Hochwechsel. Maria Silberstein sprach über ihr Schicksal als sogenanntes „Russenkind“ und über ihre Suche nach dem leiblichen Vater. Altlandesrat Franz Blochberger erinnerte sich an seine Kindheit nach dem Kriegsende und seine Erfahrungen mit den russischen Besatzern. Zum Abschluss zog Dr. Hagenhofer Bilanz über das Gesamtprojekt: „Es war mir immer schon ein Anliegen, Geschichte erlebbar zu machen. Das ist mit den Lebensspuren-Büchern und den Erinnerungen der Zeitzeugen gelungen.“
Festredner ÖVP- Klubobmann Abgeordneter Klaus Schneeberger dankte dem Buchautor: „Ich bin Dr. Hagenhofer unheimlich dankbar. Du hast aus diesem Projekt dein Lebenswerk gemacht, bei dem nicht nur viele ihre Lebensspuren hinterlassen haben, sondern bei dem die Kinder auf den Spuren ihrer Großeltern wandern können. Mein Vater hat mir nie etwas über den Krieg erzählt und vielen wird es wahrscheinlich ähnlich gehen. Das, was wir hier zu lesen bekommen, ist für unsere eigenen Lebensspuren von großer Bedeutung.“ Das Buch sei aktueller denn je, denn „wenn Geschichte ein Gesicht bekommt, dann ist das so ähnlich, wie wenn der Fremde oder der Flüchtling ein Gesicht bekommt und wir sehen die Ereignisse plötzlich ganz anders“, so Schneeberger.
In einer Zusammenarbeit von Region, Wirtschaft und Wissenschaft ist der dritte und letzte Band „Eine Bucklige Welt – Krieg und Verfolgung im Land der tausend Hügel“ entstanden. Rund 30.000 Euro haben Baumeister Josef Panis sowie die Firma Handler Bau, die Firma List und Raiffeisen zur Verfügung gestellt, um die Umsetzung in Kooperation mit dem Verlagshaus Mayrhofer zu ermöglichen.
Erlebbare Zeitgeschichte in der Buckligen Welt
Zehn Jahre Teamarbeit, hunderte Interviews sowie tausende Bilder und historische Dokumente, das ist „Erlebbare Zeitgeschichte in der Buckligen Welt“. Dr. Johann Hagenhofer hat gemeinsam mit seinem Buch-Team und unter wissenschaftlicher Begleitung von Dr. Gert Dressel das Regionsgedächtnis auf Papier gebracht, vervollständigt und für die Öffentlichkeit greifbar gemacht.
Anhand von Einzelschicksalen wurden das Leben und die historischen Ereignisse in der Zeit rund um die 1930-er bis 1950-er Jahre lebhaft dokumentiert. Ohne zu belehren, ohne mit dem Finger auf Täter zu zeigen, kommen jene zu Wort, die das, was heute im Geschichtsunterricht vermittelt wird, am eigenen Leib erfahren haben.
Nach den Bänden Lebensspuren I und Lebensspuren II, die in Kooperation mit den regionalen Hauptschulen entstanden, dreht sich der dritte und letzte Band der Trilogie um das dunkelste Kapitel unserer jüngeren Vergangenheit, um die Schattenseiten aber auch Lichtblicke in der Zeit vor und während des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus‘ in der Buckligen Welt. „Krieg und Verfolgung“ erzählt von besonders mutigen Menschen, aber auch von besonders grausamen. Erstmals kommen sogenannte „Russenkinder“ zu Wort, ebenso wie vertriebene jüdische Familien und viele mehr. Heimatforscher, Historiker und Soziologen haben ein Wissen ans Licht gebracht, das in Kombination mit zahlreichen Fotos einen ebenso fundierten wie lebhaften Einblick in die damaligen Ereignisse ermöglicht und Verfolgten sowie Vertriebenen der Region damit wieder eine Stimme und ein Gesicht gibt.
„Im Zuge meiner Arbeiten am dritten Band der ‚Lebensspuren‘ war es für mich besonders berührend, wie wichtig den Zeitzeugen die Gelegenheit war, nach so vielen Jahren endlich ihre Geschichte erzählen zu können. Etwa Roman Pulpitel, ein sogenanntes ‚Russenkind‘, der richtig erleichtert war, nach über 60 Jahren erzählen zu können, was er erlebt hat und wie es aus seiner Sicht wirklich war. Bei vielen dieser Gespräche haben wir bemerkt, wie nahe den Betroffenen die damals erlebten Schrecken immer noch gehen. Etwa beim Interview mit der ‚Schmugglerdirn aus Sieggraben‘ Barbara Bauer, die eindrucksvoll die bangen Stunden schilderte, als sie von Grenzbeamten aufgegriffen wurde“ , schildert Autor Johann Hagenhofer.
Das Team
Dr. Johann Hagenhofer, geb. 1941 in Schlatten (Bromberg), Studium an der Universität Wien, Professor für Geschichte und Geographie, Direktor des Bundesgymnasiums Babenbergerring Wiener Neustadt von 1982 bis 2003, wohnt in Hochwolkersdorf. Initiator für die Errichtung des Zeitgeschichtemuseums „Gedenkraum 1945“ in Hochwolkersdorf. Leiter des Projekts „Erlebbare Zeitgeschichte im Land der tausend Hügel“, ausgezeichnet mit dem Kulturpreis des Landes Niederösterreich für Erwachsenenbildung. Autor und Herausgeber der Bücher „Lebensspuren I“ und „Lebensspuren II“ („Lebensspuren II“ wurde 2009 zum Lieblingsbuch der Niederösterreicherinnen und Niederösterreich gewählt).
Dr. Gert Dressel, geb. 1964 in Siegen (Deutschland), Historiker und Fortbildner, lebt seit 1986 in Wien. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wissenschaftskommunikation und Hochschulforschung an der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (Standort Wien), Leiter und Berater zahlreicher biografieorientierter und lebensgeschichtlicher Forschungs- und Bildungsprojekte. Wissenschaftlicher Leiter des Projekts „Erlebbare Zeitgeschichte im Land der tausend Hügel“, Co-Autor und Co-Herausgeber der Bücher „Lebensspuren I + II“ sowie von „Eine Bucklige Welt – Krieg und Verfolgung im Land der tausend Hügel. Lebensspuren III“.
Bezugsquelle
Lebensspuren III: „Eine Bucklige Welt – Krieg und Verfolgung im Land der tausend Hügel“, 240 Seiten, ISBN: 978-3-200-03734-2, € 29,90, ist in der Buchhandlung Alois Mayrhofer, Hauptplatz 27, 2860 Kirchschlag, Tel.: 02646/7001-21, unter shop@buch.co.at oder www.buch.co.at, sowie in allen Buchhandlungen erhältlich.
Der erste Band, „Lebensspuren I – Erlebte Zeitgeschichte im Land der tausend Hügel“, der vergriffen war, wurde neu aufgelegt und ist ebenso wie Band zwei „Lebensspuren II – Arbeit und Freizeit im Land der tausend Hügel“ wieder erhältlich.