“Where Do You Go To Disappear?”, das neue Album der dänischen Elfe Tina Dico erscheint am Freitag in den heimischen Läden und Downloaderien. Wir konnten schon reinhören und waren überrascht – definitiv positiv!
Vom Warenwert der Musik, von Verkaufszahlen, Chartplatzierungen, von Radioeinsätzen und von Gold- und Platin-Awards hatte Tina Dico seit ihrem Debütalbum Fuel reichlich. Reden wir vom wahren Wert der Musik der 34-jährigen Dänin, von wunderbaren Songperlen wie One, Warm Sand, Count To Ten und Copenhagen. Von ihrer Motivation, Songs zu schreiben, mit denen sie Abend für Abend den modernen Troubadour gab. Auf Bühnen zwischen New York, Kopenhagen, London, Los Angeles, Hamburg, Paris und Wien, wo Tina Dico am 17. Oktober gastieren wird. Zehn rastlose Jahre lang ist sie nun schon unterwegs. „Ich möchte mit meiner Musik eine Art Treffpunkt schaffen, an dem ich meine Zuhörer an meinem Leben teilhaben lasse, in der Hoffnung, dass ich an ihrem Leben teilhaben darf“, bringt Tina Dico ihre Berufung zur Musikerin auf den Punkt. Sie redet, wie sie singt: Gänzlich unprätentiös, mit angenehmer, tugendhafter Unaufdringlichkeit.
Musik ist kein Befehl
„Es ist ungeheuer wichtig, keine Masken aufzusetzen, wenn man Leute erreichen will, ganz gleich ob im Gespräch oder mit Songs. Wenn ich meinen Zuhörern als Songschreiber und Bühnenakteur auf Augenhöhe begegnen will, muss ich ehrlich sein. Ansonsten dürfte ich keine ehrliche Auseinandersetzung mit meiner Musik erwarten.“ Tina Dicos Musik speist sich nicht aus musikalischen Gefälligkeiten und gefällt vermutlich gerade deshalb einer stetig wachsenden Zuhörerschaft. Die in Dänemark Geborene hat ihren Erfolgswillen immer einem feinen Gespür für optionalen Unterhaltungswert untergeordnet und interessanterweise gerade mit diesem, eher branchenunüblichen Taktgefühl überaus beeindruckende Erfolge erzielt. „Meine Musik soll zum gemeinsamen Erleben einladen. Ich möchte sie nicht als Befehl zum Zuhören verstanden wissen. Es gibt schon zu viel Musik, der man nicht entkommen kann.“ Nichts muss passieren, alles sollte ihrem künstlerischen Selbstverständnis nach möglich sein. Sowohl im Wirkungsgrad von Musik als auch in der Musik selbst. Where Do You Go To Disappear? Ist deshalb nach vier Studioalben, einer EP-Trilogie, einer Greatest Hits-Kopplung, Live-Album und Soundtrack, Fortsetzung und Neubeginn zugleich für Tina Dico.
Nach der Reise ist vor der Erkenntnis
„Where Do You Go To Disappear?“ bekam im Frühjahr 2012 eine erste, konkrete Form. In Island, der neuen Heimat von Tina Dico. Zehn Jahre lang lebte die im dänischen Aarhus Aufgewachsene praktisch aus dem Koffer, fand die Reibung des rastlosen Tourmusiker-Lebens, die Impressionen des Permanentunterwegsseins inspirierend. Vor zwei Jahren ließ sie sich in Kopenhagen nieder. Die dänische Hauptstadt sollte ihr neuer Lebensmittelpunkt werden – sie wurde aber nur zur Zwischenstation. Dicos neu gefundene Liebe zu ihrem musikalischen Komplizen Helgi Jonsson wies ihr den Weg nach Island. Inzwischen besitzt das Paar dort ein ziemlich neues, ziemlich großes Studio. „Als ich hierher kam, fürchtete ich mich ein bisschen vor den Auswirkungen von Island auf meine Musik“, erinnert Tina Dico. „Es war verrückten Umständen geschuldet, mich überhaupt hier niederzulassen. Zumal ich in Island ein Alltagsleben führe, das anders ist, als ich es jemals erwartet hatte. Es ist unglaublich ruhig, gleichzeitig sehr aufregend und überraschend wenig beängstigend. Die Natur ist nämlich nie leise, wenn man sie wahrnehmen will.“ Paradoxerweise ist Where Do You Go To Disappear? trotzdem kein ätherisches, naturverbundenes Album geworden. Weder inhaltlich noch musikalisch. Jedenfalls nichts vordergründig. „Die Natur hier in Island erinnert einen jeden Tag daran, welch winzig kleiner Teil man in ihrem Gefüge ist. Und sie umarmt, sie akzeptiert jeden, statt auszuschließen. Große Menschenansammlungen in Städten zwingen zum Konformismus. Die Natur nicht. Diese Erkenntnis war befreiend.“
Schlechten Menschen entfliehen
Während der Entstehung der neuen Songs machten TV-Dokumentationen einen beträchtlichen Teil von Tina Dicos Alltag aus. Umweltzerstörung, Geltungswahn, Gier, Finanzkrise – die Liste der „Errungenschaften“ so genannter schlechter Menschen, formulierte in Tina Dicos Kopf augenblicklich den Wunsch, ein Dutzend politische Songs zu schreiben. Letztendlich artikulierte sie ihre Wut komprimiert im Refrain von Moon To Let, dem Eröffnungssong des neuen Albums: „Pack your bag, let’s go, won’t let any of the bad people know. All them, they take more than they give everyday. Let them stay when we move into space.“ Mit synthetischen Beats über epischen Soundflächen beginnt das Abenteuer Where Do You Go To Disappear?, das augenscheinlich mehr Moon Safari als klassischer Tina-Dico-Storytelling-Folk ist. Freilich nur auf den ersten Blick, denn Tina Dico hat sich in zehn Jahren Dauerunterwegssein eine differenzierte, mehrdimensionale Ausdrucksweise geschaffen. Die große Vielfalt der Musikformen und Themenbetrachtungsweisen auf Where Do You Go To Disappear? Überrascht deshalb nicht. The World Is Perfect, die erste Single des neues Albums, hebt die kunstvoll inszenierte Dunkelfärbung von Moon To Let mit farbenfrohem Refrain auf.
Das Dritte Element
Die Produzentenregie für Where Do You Go To Disappear? übernahmen Tina Dico und Helgi Jonsson gemeinsam. Daraus entstand eine eigens für dieses Album kreierte Soundästhetik, die sowohl Dico- wie auch Jonsson-Musikermarkenzeichen enthält und gleichzeitig einen Schritt weitergeht. Richtung Symbiose der beiden Musiker, hin zum Dritten Element. Das lässt typische Dico-Songs wie Tip Of The Iceberg, Point Of No Return, Time Of Our Lives oder die warme, einladende Sommer-Hymne Sunrise vertraut und gleichsam neuentdeckbar anders klingen. You Wanna Teach Me To Dance schafft mit seinem exaltierten Beat erstmals Platz zum Tanzen in einem Tina Dico-Song. „Ich will nicht weg von meiner Außenwahrnehmung als Musikerin, die nur mit einer Akustikgitarre vor Publikum bestehen kann. Aber ich will der Musik mit meinem neuen Album mehr Platz schaffen. Zum Atmen, zum Ausdehnen und zum Entdecken von neuen Fährten.“ Genau diesen Raum bietet Where Do You Go To Disappear? – Platz zum Neuentdecken des wahren Werts von Tina Dicos Musik.
Fazit: Ein Dutzend neue Songs spannen den Klangbogen zwischen klassischem Storytelling und exaltierten Beats auf wunderbar angenehme Weise.
Live zu sehen und zu hören ist Tina Dico bei uns im Wiener WUK am 17. Oktober und im Linzer Posthof am 18. Oktober.
Und da viele unserer LeserInnen schließlich auch im befreundeten Ausland leben, kommt hier die komplette Tour.
Tina Dico Tour 2012
03.10. Flensburg, Deutsches Haus
04.10. Oldenburg, Kulturetage
05.10. Hamburg, Laeiszhalle
06.10. Berlin, Huxleys
07.10. Mannheim, Capitol
09.10. Dresden, Wechselbad
10.10. Essen, Lichtburg
11.10. Münster, Jovel
12.10. Köln, Philharmonie
13.10. Zürich, Kaufleuten
14.10. Freiburg, Jazzhaus
16.10. Darmstadt, Staatstheater
17.10. Wien, WUK
18.10. Linz, Posthof
19.10. München, Alte Kongresshalle
20.10. Karlsruhe, Tollhaus
21.10. Stuttgart, Theaterhaus