Ein massiver Wassereinbruch im Semmering-Basistunnel ließ die Rückhalte- und Absetzbecken der Tunnelbaustelle übergehen. Milchigweißes schäumendes Wasser in den umliegenden Bächen und in der Schwarza alarmiert die Menschen. Die Fischzuchtanlage in Göstritz musste geschlossen werden, im Auebach ist dem Vernehmen nach jedes Leben erloschen. Die Tunnelbetreibern spielen die Katastrophe auf ‚heftiges Sommergewitter‘ herunter. In Gloggnitz ist man darüber ziemlich verärgert und spricht von ‚Verhöhnung‘.
Seit der vergangenen Woche sind aus Auebach und Weißenbach weiße, massiv sedimenthaltige und alkalische Gewässer geworden. Im Bachbett hat sich trotz der starken Strömung dicker weißer Schlick abgesetzt, der alles Leben im Gewässer erstickt, der Wasserpegel ist deutlich angestiegen. Ein Leser schildert seine Eindrücke: „Ich habe auf Höhe Herrenhaus Kaltenberger in Aue nachgesehen und dort auch die Hand ins Wasser gehalten, das fühlt sich fast an wie Seifenlauge und wäscht einem sofort den Fettfilm von der Haut. Von tierischem Leben ist derzeit nichts mehr zu entdecken.“ Die Anrainer sind natürlich schwer beunruhigt und nervös, vor allem auch wegen der fehlenden Informationen durch die Betreiber, die Holding AG der ÖBB.
Milchigweiß sind die Bäche nach dem Wassereinbruch im Tunnel
Bei Baggerarbeiten ist es zu einem massiven Wassereinbruch im Bauabschnitt Göstritz gekommen, den die Betreiber nicht in den Griff bekommen, die Rückhalte- bzw. Absetzbecken gehen über und das ganze ausgeschwemmte Material aus dem Berg fließt ungereinigt in die Bäche und weiter in die Schwarza. Die von den Betreibern eingesetzten Netzmittel, die die Schwebstoffe im Normalbetrieb absetzen, versagen aufgrund der unfassbaren Wassermenge von angeblich 60 Sekundenlitern, andere Quellen sprechen von „bis zu 180 Sekundenliter“ Bergwasser.
In dieser Sedimentbrühe kann nichts überleben
Trüb wie das Wasser im Zuchtteich ist auch die Stimmung von Erich Schabus vom Fischereiverein Gloggnitz. Die Fischerei ist seine Passion, die der bekannte Touristiker seit zwei Jahrzehnten in der von Andreas Auer in den 1960er-Jahren erbauten Anlage in Göstritz in der Nähe der Tunnelbaustelle betreibt. Die Fischzuchtteiche sind jetzt geschlossen, die Fische bis auf wenige, die gerettet werden konnten, sind tot. Die Folgen sind nicht absehbar, die Teichanlage in Göstritz kann nicht mehr betrieben werden. Das Wasser ist eine weiße Suppe, in der nichts überleben kann. „Die Beteuerung der Betreiber, das wäre nicht mehr, als ein stärkeres Sommergewitter, ist eine bodenlose Sauerei!“, ärgert sich Schabus.
„Es sind massivste Schäden zu befürchten und die Betreiber wissen in Wirklichkeit nicht mehr, was sie gegen den Wassereinbruch unternehmen sollen. Der Wassereinbruch soll so um die 60 Sekundenliter betragen, die Baustelle ist angeblich abgesoffen. Das Wasser soll schon fast die Transformatoren m Tunnel erreicht haben. Wenn die unter Wasser stehen, heißt es ‚zusammenpacken’…“, schildert ein weiterer Betroffener. Dass die Betreiber bei der Feuerwehr bereits Zillen (Feuerwehrboote) für die Tunnelbaustelle angefordert haben sollen, wollte Bezirksfeuerwehrkommandant Josef Huber nicht bestätigen, es gäbe „eine Vereinbarung. Das ist aber Sache der ÖBB“.
Dieser Zwischenfall hat möglicherweise unabsehbare Folgen für die Umwelt, sowohl für die Bäche und die Schwarza, als auch für den Wasserhaushalt in der Region. Alle, die vor dem Projekt warnten, nachdem das Projekt Semmering-Basistunnel 1 bereits nach einem gewaltigen Wassereinbruch abgesoffen war, wurden – wie man sich erinnert – nicht gehört oder einfach ausgelacht. Jetzt ist mutmaßlich dieses Szenario im Berg eingetreten und Umweltschützer warnen, dass der Bereich am Otter noch viel sensiblere Gesteinsformationen parat hielte.
Die Frage, warum die Tunnelbetreiber zwar immer wieder in Veranstaltungen aufzeigen, wie toll sie arbeiten (der SCHWARZATALER berichtete), dann aber im Fall eines Zwischenfalls sich so maulfaul verhalten und die Menschen in der betroffenen Region nicht informieren, sorgt für ungläubiges Kopfschütteln bei den Betroffenen. Und auch im Gloggnitzer Rathaus ist man von der Informationspolitik der ÖBB Holding minder begeistert. Bürgermeisterin Irene Gölles wettert: „Grundsätzlich möchten wir festhalten, dass wir mit dem Informationsfluss seitens der ÖBB in keinster Weise zufrieden sind. Wir werden deshalb nochmals drngenst einfordern, dass eine Informationsweitergabe zeitnah zu erfolgen hat.“ Vizebürgermeister Erich Santner erstattete in diesem Zusammenhang Anzeige bei der Polizei. Wasserproben wurden genommen und an die Wasserbehörde in der Neunkirchner Bezirkshauptmannschaft zur Analyse geschickt. Auf das Ergebnis wartet man mit Hochspannung.
Pressesprecher Karl Leitner von der ÖBB Holding AG beschwichtigt: „Uns liegen keine Informationen über ein Fischsterben oder verseuchte Fischteiche vor. Von Verseuchung kann man nicht sprechen, es handelt sich um die bekannte, optische Beeinträchtigung, die durch Sand hervorgerufen wird. Das zeigen auch die bis dato vorliegenden chemischen Analyse-Ergebnisse. Mit dem Fischereiverein sind wir in enger Abstimmung. Aufgrund der derzeitigen Situation wurde mit dem Fischereiverein die vorübergehende Stilllegung der Fischzuchtanlage unter Einbindung der Gemeinde einvernehmlich vereinbart und die weitere Vorgehensweise, wie Entschädigungen etc, abgestimmt.“
Fotos: Wilfried Scherzer-Schwarzataler