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Die Schlange – True-Crime-Drama über den berüchtigtsten Serienmörder Südostasiens der 1970er-Jahre (Edel Motion)

Travelling in a fried-out Kombi, on a hippie trail, head full of zombie, I met a strange lady, she made me nervous, she took me in and gave me breakfast… – Glück gehabt, dass der Men at Work-Sänger Colin Hay davon ein Lied singen konnte, denn auf dem Hippie Trail trieb in den 1970er-Jahren ein skrupelloses Verbrecherpaar sein mörderisches Unwesen. Das fesselnde TV-Drama Die Schlange (Edel Motion) handelt von den unglaublichen Verbrechen des französischen Hochstaplers, Entführers und Serienmörders, dem 1944 in Saigon als Sohn einer vietnamesischen Mutter und eines indischen Vaters geborenen Charles Sobhraj. Seit vergangenen Dezember ist Sobhraj wieder auf freiem Fuß.

Als die weltbekannten Zeilen 1978 geschrieben wurden, war der legendäre Hippie Trail schon fast Geschichte. Nach der Islamischen Revolution im Iran und dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan galt die Route ab 1979 als unpassierbar. Mehr als zehn Jahre war die Route entlang der alten Seidenstraße für viele sinnsuchende Blumenkinder ein wahres Paradies, hofften sie doch hier auf Bewusstseinserweiterung, Freiheit und Austausch mit anderen Kulturen.

Nicht nur der schier unbegrenzte und einfache Zugang zu halluzinogenen Drogen machten das Reisen für die jungen Rucksacktouristen auf dem Hippie Trail zunehmend gefährlich. Mitte der 1970er-Jahre kam es vermehrt zu mysteriösen Todesfällen entlang des Trails: Frauen werden tot angeschwemmt, verbrannte Leichen aufgefunden, und zahlreiche Reisende sind einfach wie vom Erdboden verschwunden. Zunächst bleiben die Behörden der Länder entlang des Hippie Trails erstaunlich untätig, denn ungeklärte Todesfälle werden oft ignoriert oder auf allzu exzessiven Drogen- und Alkoholkonsum zurückgeführt und sind überdies dem Tourismus gar nicht zuträglich. Erst Monate später kommt heraus, dass es sich nicht um Unfälle handelt, sondern um eine grauenvolle Mordserie.


Die auf unterschiedlichen Zeitebenen und aus der Sicht verschiedener Protagonisten erzählte Geschichte beginnt 1975 in Südostasien: Der charismatische Alain Gautier (einer der vielen falschen Decknamen Sobhrajs), ein smarter, dunkelhaariger Edelsteinhändler mit Fliegerbrille, beobachtet auf einer Party des Kanit House, in dem er ein Appartement bewohnt, die westlichen Hippie-Bohèmiens, die sich am Pool vergnügen. Er hält Ausschau nach den Schwachen, Leichtsinnigen und Vertrauensvollen – und nach deren Reisekasse. Er studiert sie so, wie er Juwelen durch seine Lupe betrachtet. Der Modus Operandi des manipulativen Sobhraj ist schnell klar: Er freundet sich mit arglosen Hippies an, lädt sie zum Essen oder auf einen Drink ein, verabreicht ihnen Drogen, raubt sie aus und ermordet sie nach Gutdünken. Für den scheinbaren Wohltäter sind diese Menschen lediglich Mittel zum Zweck, um sich andere Identitäten mit Hilfe ihrer Reisepässe zu verschaffen. An Sobhrajs Seite: seine ihm treu ergebene Geliebte und Komplizin, die bildhübsche Franko-Kanadierin Marie-Andrée Leclerc, genannt Monique, und der ebenfalls stets loyale Ajay Chowdhury, Sobhrajs zuverlässiger Handlanger, der für ihn Opfer anlockt und die verbrecherische Drecksarbeit erledigt.

Obwohl die jungen Leute oftmals nicht vermisst werden, nimmt sich nach dem grausamen Mord an einem niederländischen Paar der junge Botschafts-Attaché Herman Knippenberg des Falles an, und somit wird der gnadenlose Jäger schließlich zum Gejagten. Gemeinsam mit Interpol versucht der geradezu besessene Knippenberg alles Erdenkliche, um den Mörder endlich dingfest zu machen. Es entwickelt sich ein zunehmend spannendes Katz-und-Maus-Spiel, während gelegentliche Rückblenden das wahre Grauen von Sobhrajs Leben und Taten enthüllen, die ihm schließlich die unrühmlichen Beinamen „Bikini-Killer“ oder später „Die Schlange“ einbrachten, windet er sich doch schlangengleich immer wieder aus den Fängen der Polizei.

Ihre explosive Dramatik verdankt die Serie Die Schlange den wahnwitzigen Kontrahenten: dem eiskalten Manipulator Sobhraij und dem hitzköpfigen Niederländer Kippenberg, der gegen eine Mauer aus Ignoranz und Gleichgültigkeit anrennt.

Gedreht wurde in Thailand und in England – zu den Drehorten gehören neben Bangkok die Stadt Ayutthaya und der Khao Sam Roi Yot National Park, die Pariser Szenen wurden im britischen Landhaus „Wrest Park“ in Silsoe, Bedforshire aufgenommen. Die Serie ist ein optischer Hochgenuss ob die Geschichte nun in Thailand, Kathmandu, Hongkong, Delhi oder Paris spielt, das Bildmaterial und die zeitgerechte Ausstattung versetzen die Zuschauer direkt in die 1970er-Jahre. Die Regisseure Hans Herbots und Tom Shankland sowie die Autoren Richard Wardlow und Toby Finlay vermieden es, Sobhraj zu glorifizieren, jedoch ist es ihnen famos gelungen, aufzuzeigen, wie er seine dunkle Magie nicht nur auf seine bedauernswerten Opfer ausüben konnte, sondern auch auf Monique, die ihn weiterhin liebt, obwohl sie weiß, dass er sie in die Abgründe der Hölle führt.

Beeindruckend ist neben Ausstattung und Settings aber vor allem der großartige Cast von Die Schlange. Die Rollen des empathielosen Verbrecherpaars Sobhraj und Leclerc werden glaubhaft verkörpert vom brillanten, mehrfach ausgezeichneten französischen Schauspieler Tahir Rahim (Der Mauretanier) und der 36-jährigen Engländerin Jenna Coleman (Victoria, Doctor Who, Captain America – The first Avenger). Aber auch die übrige Darstellerriege weiß hunertprozentig zu überzeugen, allen voran Billy Howle (Outlaw King, Dunkirk) und Ellie Bamber (Nocturnal Animals, Die skandalösen Affären der Christine Keeler) als niederländisch/deutsches Ehepaar Knippenberg, Mathilde Warnier als couragierte französische Nachbarin im Kanit House, Amesh Edireweera als psychopathischer Scherge Ajay Chowdhury und last but not least Charaktermime Tim McInnerny (Game of Thrones, Blackadder, Die Kinder von Windermere) in der Rolle des ambivalenten Belgiers Paul Siemons.

Seit Dezember 2022 ist Sobhraj wieder auf freiem Fuß. Ein Gericht veranlasste aus gesundheitlichen Gründen seine vorzeitige Haftentlassung nach einem langjährigen Gefängnisaufenthalt in Nepal. Nun ist der 78-Jährige zurück in seiner französischen Heimat – und beteuert nach wie vor seine Unschuld. So äußerte sich Sobhraj gegenüber dem britischen Guardian: „Ich fühle mich großartig. Mein Buch und eine Dokumentation erscheinen bald…“.

Etliche Künstler schrieben über Kathmandu und den Hippie Trail seinerzeit ihre musikalischen Hommagen, wie zum Beispiel Cat Stevens (Katmandu, 1970), Bob Seger (Katmandu, 1975), Rush (A Passage to Bangkok, 1976), Tantra (The Hills of Katmandu, frühe 1980er Jahre), Godiego (Coming Together in Kathmandu, 1980) und selbst 2016 schwärmte Singer/Songwriter Richard Gregory noch von seinem Trip im Jahr 1974 von London nach Kathmandu (Along the Hippie Trail).

Fotos: Edel Motion

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