Nach dem Scheitern der kostituierenden Sitzung des Gemeinderates in Reichenau am 26. Februar lud Bürgermeister Hans Ledolter (ÖVP) für die Sitzung am 16. März den alten Gemeinderat zur Sitzung. Die konstituierende Sitzung mit den neuen Gemeinderäten ist hingegen erst am 23. März angesetzt. Die Opposition ist nicht amüsiert, das Klima scheint vergiftet.
Verwunderung machte sich breit in der Marktgemeinde am Fuß der Rax, als Bürgermeister Hans Ledolter für die öffentliche Sitzung des Gemeinderates am kommenden Montag (Beginn 19 Uhr) nicht die neu gewählten Mandatare einlud, sondern den alten Gemeinderat. Die konstituierende Sitzung mit den neugewählten GemeinderätInnen findet dann eine Woche später am Montag, 23. März ab 19.30 Uhr statt. Schwarzataler Online hörte sich um.
Wolfgang Reiter (SPÖ) ist ’sehr angefressen‘, weil ihn die ÖVP in einem Flugblatt, das nach der gescheiterten konstituiernden Sitzung vom 26. Februar an die Reichenauer Haushalte verschickt worden war, als Marionette von Herbert Weinzettl dargestellt hat: „Schon am 5. März wäre eine zweite konstituierende Sitzung möglich gewesen – einberufen, angeloben, arbeiten und fertig. Aber dazwischen den alten Gemeinderat einberufen, ist schon sehr merkwürdig.“ Sollte bis 26. März kein neuer Gemeinderat zustande kommen, droht Reichenau ein Regierungskomissär oder gar Neuwahlen. „Da ist vielleicht bei der ÖVP Angst im Spiel“, vermutet der Reichenauer SPÖ-Sprecher, und Herbert Weinzettl (Bürgerliste Menschen in Reichenau, kurz MiR) – er qualifizierte den ÖVP-Flugzettel als ‚Lügenblatt‘ ab – fragt auf der MiR-Homepage: „Wovor hat Ledolter Angst? Wofür wählen wir eigentlich, leben wir in einer Demokratie oder in einer ‚Ledolterkratie‘, wo nur Wahlergebnisse zählen mit denen der Bürgermeister seine … Interessen umsetzen kann.“
Für den Künstler und Grüne Gemeinderat Thomas Fritsch ist das „vom Demokratieverständnis her äußerst fragwürdig“. Der Gemeinderat der Grünen kritisiert: „Das treibt die Absurdität auf die Spitze und hebelt den neuen Gemeinderat schlichtweg aus. Das Argument der Dringlichkeit halte ich für ein Scheinargument. Für mich stellt sich die Frage: Was soll damit noch schnell durchgewunken und vor dem neuen Gemeinderat verborgen werden? Man hätte ja beide Gemeinderatstermine umdrehen können und nicht eine demokratiepolitisch so fragwürdige Aktion daraus machen müssen.“
Vorgangsweise ist „äußerst ungewöhnlich“
Im Gemeindereferat des Landes Niederösterreich war auf Schwarzataler Online-Anfrage zu erfahren, dass die Vorgangsweise der ÖVP und des Bürgermeisters „äußerst ungewöhnlich“ sei. „Es soll aber nicht Sinn der Sache sein, dass der Bürgermeister jetzt quasi den neuen Gemeinderat zu verhindern versucht, weil spätestens vier Wochen nach dem ersten Versuch ohnehin die zweite konstituierende Sitzung stattzufinden hat. Und der neue Gemeinderat kann dann alles, was der alte beschlossen hat, bei der nächsten Sitzung ja wieder aufheben“, skizziert ein Verwaltungsjurist des Gemeindereferates der Landesregierung, „Theoretisch ist der Vorgang okay, aber die Optik ist schon seltsam. Man müsste sich fragen, ob unaufschiebbar wichtige Gründe dafür sprechen. Wenn man versucht, irgendwelche glorreiche Auftragsvergaben zu beschließen, ist das sicher nicht der richtige Weg.“
Und Franz Tisch (FPÖ), der Altersvorsitzende der geplatzen Sitzung vom 26. Februar, hat eine Vermutung: „Es geht wohl um die Schweizer Franken Kredite. Ich finde das aber schon sehr eigenartig.“
Das Klima ist ein bisschen … im Ungewissen
Der ins Kreuzfeuer der Opposition geratene Reichenauer Bürgermeister Hans Ledolter sieht alles naturgemäß ganz anders: „Wenn die zweite Konstituierende auch platzt, dann haben wir das Problem, dass wir mit unseren anstehenden Erledigungen weit in Verzug geraten, von der Jahresrechnung bis zu Auftragsvergaben und anderen wichtigen Dingen. Da sind wir wenigstens beschussfähig. Was die SPÖ und die MiR beabsichtigen, erscheint mir fragwürdig.“ Dass die zweite Konstituierende platzen könnte, ist eher sehr unwahrscheinlich, da bei der Sitzung am 23. März nicht mehr die Anwesenheit von zwei Drittel der GemeinderätInnen, wie bei der Sitzung vom 26. Februar, erforderlich ist.
Das Klima für die anstehende Arbeitsperiode im Reichenauer Gemeinderat schätzt Ledolter vorsichtig so ein: „Das Klima ist ein bisschen … im Ungewissen.“ Kryptisch die Antwort des Bürgermeisters auf die Frage, ob er die anbrechende Amtsperiode als Bürgermeister bis zum Ende durchmachen will oder plant, irgendwann dazwischen an einen Nachfolger zu übergeben: „Die ÖVP ist nicht meine Privatveranstaltung. Was auch immer passiert, wir werden in bewährter Art und Weise fuhrwerken. Ich mach das immerhin seit über 20 Jahren und habe nicht vor, diesen bewährten Weg über Bord zu schmeißen.“ ☮
Unser Tipp: schau doch einmal dem Gemeinderat aufs Maul.
16. März 2015 – 19 Uhr, Rathaus Reichenau Großer Sitzungssaal, öffentliche Gemeinderatssitzung mit dem Gemeinderat von 2010 plus zwei neu Angelobte (je ein ÖVP und SPÖ)
23. März 2015 – 19.30 Uhr, Rathaus Reichenau Großer Sitzungssaal, öffentliche Gemeinderatssitzung mit dem Gemeinderat von 2015 mit Angelobung, Bürgermeisterwahl, Vize, Geschäftsführende, Ausschüsse, Kommissionen, Verbände etc.
Die Gemeinderatssitzungen sind IMMER öffentlich.