Die Heldenreise geht weiter: Jetzt landete die italienische Power- und Celtic/Folk-Metal-Formation Elvenking ihre epische Erzählung mit ‚Reader Of The Runes – Rapture‘ auf der Scheibenwelt. Damit stellte das Sextett einen würdigen Nachfolger ihres 2019er Blockbuster-Albums ‚Reader of the Runes – Divination‘ vor. Elvenking wirken erneut einen mächtigen Zauber, beschwören die Essenz von Heavy Metal, Pagan Metal, Folk und Melodic Death Metal in mächtigen Hymnen, fein gewürzt mit der Violine von Lethien, herauf. Stolz blähen sich die Segel im Sturm, unterwegs zu weit entfernten Horizonten. Metal klang schon lange nicht mehr so bildgewaltig, so epochal.
„Wir fühlen uns stärker als je zuvor“, ist Frontmann und Sänger Damna überzeugt, „Ich glaube, nach so vielen Jahren haben wir volles Vertrauen in das gewonnen, was wir tun und vor allem in das, was wir erreichen wollen. Der Weg vor uns ist klar. Wir haben alle Launen, Unerfahrenheit und Unreife hinter uns gelassen und wissen instinktiv, was möglich ist und was nicht.“ Wahre Worte: Seit ihrer Gründung 1997 meisterte Elvenking mit Mut und Bravour den Weg zur eigenen Identität und ließ Schritt für Schritt alle Genre-Fesseln hinter sich, bevor sie mit ihrem 2014er Monument „The Pagan Manifesto“ endgültig ihren eigenen Pfad einschlug.
Seit nunmehr vier Alben trotzen Elvenking allen Genres und fühlen sich in ihrem ganz eigenen, verzauberten Reich zu Hause. „Rapture“, Teil zwei ihrer monumentalen „Reader of the Runes“-Trilogie, zeugt von dieser Entwicklung: Die Chemie der Band, bestehend aus Sänger Damna, den beiden Gitarristen Aydan und Headmatt, Lethien mit seiner Violine, Jakob am Bass und dem mächtigen Drummer Symohn, ist zu einem Zeugnis ihrer kollektiven Willenskraft geworden. „Die Chemie innerhalb der Band ist im Moment perfekt“, nickt Aydan, „Jeder in der Band ist sich seiner Rolle innerhalb eines komplexen Mechanismus wie Elvenking vollkommen bewusst. Das ist grundlegend, um Risse im Getriebe zu vermeiden und unter vollen Segeln weiterzufahren.“
Mit der Rückkehr von Schlagzeuger Symohn und dem Einstieg des Gitarristen Headmatt als festes Mitglied haben Elvenking wahrscheinlich ihr bisher bestes Line-up geschmiedet, das unerschöpfliche Leidenschaft mit Disziplin und Können paart.
Geschrieben zwischen 2020 und 2022 und aufgenommen zwischen Mai und Oktober 2022 von Band und Produzenten-Schwergewicht Scott Atkins (er arbeitete bereits mit Cradle of Filth und Behemoth), der auch Mix und Mastering übernahm, sind Elvenking bei jedem winzigen Schritt ihrer neuen Platte dabei. „Wir nehmen nun schon seit fast 20 Jahren selbst auf“, skizziert Aydan. „Und haben eine kristallklare Vorstellung davon, was wir für jedes Album in Bezug auf Produktion, Sound, Arrangements und Performance brauchen. Wir sind so sehr auf unsere Musik fokussiert, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass wir die Einzigen sind, die den gesamten Prozess managen können, um auch das Ergebnis zu bekommen, das wir uns vorstellen.“
„Rapture“ schlägt einen neuen, dunkleren Weg ein und zeigt seine langen Reißzähne in einigen der härtesten und extremsten Songs, die Elvenking je geschrieben haben. „Der Ton des Albums ist düsterer. Die Geschichte erforderte, dass die Musik tragischer wird“, schildert Sänger Damna, „Das gab uns die Möglichkeit, unseren Extreme-Metal-Einflüssen mal wieder so richtig zu huldigen. Wir sind in erster Linie eine Melodic-Metal-Band, das wissen wir, aber wir haben das gute Gefühl, dass wir mit diesem Album einen neuen Goldstandard für diese Band gesetzt haben.“ Ähnlich dramatisch und atmosphärisch wie der zweite Akt einer Oper werden die Weissagungen, die der Runenleser im ersten Teil gemacht hat, auf diesem Album zur unheimlichen Realität.
Der Eröffnungssong „Rapture“, eine epische Erzählung mit unwerfender Orchestrierung, dramatischen Wendungen und mächtigen Gitarren, markiert zugleich die erste und perfekte Einführung in diese stürmische, fantastische Reise. „Nach drei Jahren Stille haben wir beschlossen, unseren Fans einen möglichst abwechslungsreichen Vorgeschmack auf das Album zu geben“, erklärt Aydan die Wahl, „Dies hier ist einer der längsten Tracks. Er enthält all die Epik, die Tragik und die meisten Nuancen, die das Album in seiner gesamten Länge aufweist.“
Episch ist natürlich nicht nur der Opener: „The Hanging Tree“ hat einen der besten Refrains, die man in diesem Jahr im Metal hören wird, während der Straight Shooter „Bride of Night“ beweist, dass Elvenking auch eingängige, prägnante und dennoch anspruchsvolle Banger schreiben können. Anstatt jedoch einzelne Songs hervorzuheben, sollte man „Rapture“ als verwunschenes Ganzes genießen. Ein episches Metal-Abenteuer bevölkert von geheimnisvollen Gestalten, dunkler Magie und einem allumfassenden, hypnotisierenden Flair, das an eine Waldlichtung im Indian Summer erinnert.
Dies ist so viel mehr als nur ein Metal-Album. Es ist eine bewegende Geschichte, untermalt von märchenhaften Songs, die spielend die Kluft zwischen Fantasie und Realität überbrücken. Schon viele Male zuvor haben Elvenking mächtige Magie in die Welt gewoben. Diesmal haben sie sich selbst übertroffen und einer globalen Seuche ihr bisher bestes Werk abgerungen.
Wenn das keine Magie ist, was dann?
Foto © Cunene/Cover: Zsofia Dankova