Schwarzataler Online
Werbeinsel - 200x200

Was unsere Region von den Sachsen lernen kann

Geht es um den Wandel in der Bevölkerung, so steht unsere Region vor ähnlichen Herausforderungen wie der Freistaat Sachsen im Osten Deutschlands. Die Leader-Region NÖ Süd lud zur Exkursion nach Dresden. Schwarzataler Online war dabei und sammelte Dresdner Impressionen.

Auch wenn seit 1960 die Gesamtbevölkerungszahl innerhalb der EU um 500 Millionen Einwohner gewachsen ist, so zeichnet sich in vielen ländlichen Regionen Europas ein ähnliches Bild ab – nämlich ein rapider Bevölkerungsrückgang, etwa durch niedrige Geburtenraten bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung oder durch Abwanderung in Richtung großer Ballungsräume.  Die  Alterung der Bevölkerung ist ein weiteres wesentliches Merkmal dieses demografischen Prozesses, in dem wir uns gerade befinden. Dass dieses Thema brandaktuell ist bewies auch die Tatsache, dass das Europäische Jahr 2012 unter dem Motto „Aktives Altern und Solidarität“ stand.

 

Die – demographische – Zukunft beginnt jetzt

Die Leader-Region NÖ Süd – bestehend aus 34 Mitgliedsgemeinden in den Kleinregionen Gemeinsame Region Schneebergland, Schwarzatal, Weltkulturerbe Region Semmering Rax – griff als einer der ersten Leader-Regionen in Niederösterreich das heiße Thema auf. Im Rahmen des Projektes „Demographie-Check NÖ Süd“, das gemeinsam mit der Regionalberatung Wallenberger & Linhard durchgeführte wurde, galt es Kommunen wie Firmen in der Region gleichermaßen für dieses Thema zu sensibilisieren und gemeinsam an Lösungen für die Zukunft zu arbeiten. Die Projektergebnisse zeigen, dass vor allem das Standortmarketing für die Leader-Region NÖ Süd in naher Zukunft ein wichtiges Thema sein wird – wie es etwa im Schneebergland bereits forciert wird. In der Leader-Region NÖ Süd wohnen 76.933 Menschen, wovon fast ein Viertel älter als 60 Jahre ist. Dem gegenüber stehen nur 15 Prozent Jugendliche unter 15.

Auch das Erhalten der Betriebsstandorte und damit der Arbeitgeber in der Region muss ein Hauptanliegen der Region sein, um potentielle Abwanderer und damit künftige Fachkräfte in der Heimat zu halten. Für den Erfolg weiterer Maßnahmen ist außerdem die Einbeziehung der Jugend maßgeblich. Um die Projektergebnisse abzurunden und sich einige neue Impulse für die eigene Region zu holen, luden Geschäftsführer Martin Rohl und die Leader-Region Nö Süd AkteurInnen der Region am Wochenende zur Exkursion nach Sachsen. Insgesamt 17 TeilnehmerInnen fuhren mit dem Reisebus nach Dresden.

 

Sachsen als gutes Praxisbeispiel

Wie Heike Zettwitz, Referentin der Sächsischen Staatskanzlei, den ExkursionsteilnehmerInnen rund um die Gloggnitzer Bürgermeisterin und Obfrau der Weltkulturerbe-Region Semmering- Rax Irene Gölles, Bürgermeister von Bürg Johann Hainfellner und Andi Weiß vom Regionalverband anhand aktueller Statistiken zeigte, ist die Bevölkerungszahl des – 1990 nach dem Fall der Berliner Mauer gegründeten – Freistaats  seit dessen Gründung rückläufig. Die Einwohnerzahlen der Städte Dresden und Leipzig konnten in den vergangenen Jahren hingegen Zuwächse verzeichnen, ebenso teilweise ihr Umland. Dresden wuchs zwischen 2000 und 2011 um annähernd 52.000 Einwohnern, Leipzig um mehr als 38.600 Menschen. Beiden Städten wird ein weiteres Wachstum bis 2020 prognostiziert. „Der ländliche periphere Raum“, so Zettwitz weiter, „schrumpft stetig.“

Sachsen ist einer der Länder Deutschlands, das Demographie bereits vor längerer Zeit zur „Staatsaufgabe“ gemacht und seither wegweisende Reformationen und Projekte umgesetzt hat. „Der Leader-Region NÖ Süd geht es“, wie Josef Wallenberger betonte, „nicht um kopieren, sondern um kapieren.“

 

Lösungsansätze in Sachsen –Praxis im Freistaat

Am ersten Exkursionstag teilte Hans Jürgen Pfeiffer vom Zweckverband Oberlausnitz, kurz ZVON –  einem Verkehrsverbund und einem von insgesamt fünf Zweckverbänden in Sachsen – seine Erfahrungen mit neuen Modellen des Personen-Nahverkehrs mit den ExkursionsteilnehmerInnen. „Der ZVON ist stolz darauf, dem Kunden einheitliche Tarife für Zug und Bus anbieten zu können. Auch spezielle Kombi-Angebote, wie das Euro-Neisse-Ticket erfreuen sich größter Beliebtheit“, resümiert Pfeiffer, „Sinkende Fahrgastzahlen in den ländlichen Regionen machen es aber völlig unwirtschaftlich gewisse Routen überhaupt noch zu bedienen.“ Trotzdem sähe es der Zweckverband als seine Verpflichtung an, den Menschen am Land Mobilität zu gewährleisten und den Fahrplan weiterhin zu halten. „Eine zufriedenstellende Lösung fand der ZVON“, so Pfeiffer, „in unserem Rufbus-Modell, wo es darum geht, dass der Bus zwar laut Fahrplan fährt, aber nur dann wenn ihn ein Kunde telefonisch vorbestellt hat.“

Vom Verband Sächischer Wohnungsgenossenschaften, kurz VSWG, erläuterte Rainer Richter das Modell der „Mitalternden Wohnungen“. „Jeder sechste Sachse lebt statistisch gesehen“, so Richter, „in einer Wohnung, die von einer der insgesamt 229 Wohnungsgenossenschaften des VSWG verwalten wird.“ Richter geht mit der Gestaltung „seiner“ Wohnungen neue Wege: „Mehr Pflegebedürftigen stehen immer weniger Pflegenden gegenüber. Ein Lösungsansatz zu dieser Herausforderung bieten die ‚Mitalternden Wohnungen‘ der VSWG.“ Zielgruppe für „Richters Wohnungen“ sind ältere Menschen, die sich eine Wohnung wünschen, die auf ihre Bedürfnisse sowohl baulich als auch technisch maßgeschneidert ist. Einerseits werden die Wohnungen barrierearm angeboten – etwa  mit breiteren Türstöcken – anderseits sind die Wohnungen mit umfassender moderner Technik ausgestattet. Über ein Menü im Steuerungspanel bedient der Bewohner seine Wohnung. Die Technik wird dabei modular je nach den individuellen Bedürfnissen zugeschaltet und reicht von Medikamentenerinnerung über Rauchmeldung bis zum automatischen Notruf bei der Feuerwehr. Mit mehr als acht Euro pro Quadratmeter für die Vollausbaustufe sind diese umgebauten Wohnungen allerdings nicht gerade billig. „Außerdem kann keine Technik die menschliche Fürsorge, die warme Hand ersetzen“, betonte Richter.

 

Zusammenlegung von 48 auf zehn Bezirke

Referent Krone vom Sächischen Staatsministerium des Inneren war maßgeblich an der umfassenden Gebiets- und Verwaltungsreform in Sachsen beteiligt. Die ExkursionsteilnehmerInnen erfuhren, dass Sachsen 1993 seine Landkreise – entsprechen den Bezirken bei uns – von 48 auf 22 reduzierte und 2008 anschließend nochmals auf nunmehr 10 Landkreise zusammenlegte. „Außerdem konnten“, so Krone weiter, „die Zahl der Gemeinden in einer umfassenden Gemeindegebietsreform von rund 1.500 auf 500 Gemeinden  reduziert werden –  diese Gemeindezusammenschlüsse basierten auf freiwilliger Basis. Der Freistaat bezahlt als Ansporn eine ‚Hochzeitsprämie‘ von 100 Euro pro Kopf an die zusammenschließungswilligen Gemeinden.“ Das Ziel der Gebietsreform in Sachsen ist eine durchschnittliche Gemeindegröße von etwa 5.000 Einwohnern.

Krone räumt ein, dass er noch nicht beziffern kann, was diese umfassende Gebiets- und Verwaltungsraum tatsächlich dem Freistaat an Einsparungen gebracht hat – dies könne man erst nach etwa einem Jahrzehnt tatsächlich sagen. Sicher ist jedoch, dass man zuerst mal Kapital braucht, um eine solche Reform verwirklichen zu können“, räzisierte Krone.

Am zweiten Exkursionstag wurden die ExkursionsteilnehmerInnen in der Sächischen Staatskanzlei erneut von Referentin Heike Zettwitz begrüßt. Nach einem Rundgang im historischen Prachtbau erfuhren die ExkursionsteilnehmerInnen von Frau Zettwitz, welche Projekte rund um das Thema Demographie – neben der Gebiets- und Verwaltungsreform – außerdem noch vom Freistaat in Angriff genommen wurden.

„Der Freistaat Sachsen entwickelte eigene Demographie-Förderrichtlinien, um innovative Projekte zum Thema finanziell unterstützen zu können“, so Zettwitz. In Sachsen gäbe es schon jetzt einen Mangel an niedergelassenen Hausärzten in den Gemeinden. „Denkbar wäre es dann“, so Zettwitz, „in Zukunft in den Zentralorten einer Region medizinische Versorgungszentren zu installieren, die dann von Gemeinden ohne praktischem Arzt genutzt werden könnten. Zentrales Anliegen des Freistaates ist es außerdem, die Infrastruktur in den Zentralorten weiter auszubauen.“

Um das Leben in den Kleinstädten attraktiver zu machen, wurde das „Projekt QUALIST“ ins Leben gerufen. Petra Ludewig stellt den ExkursionsteilnehmerInnen das Projekt vor: „Das EU-Programm „Central Europe“ fördert die territoriale Zusammenarbeit in ausgewählten Schwerpunktbereichen, zu denen auch die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität von Städten und Regionen gehört. Seit dem Sommer 2010 arbeiten elf Partner aus Deutschland, Tschechien und Österreich im ‚Projekt QUALIST‘ an Lösungen zur Verbesserung der Attraktivität von Kleinstädten.“

Das Anliegen dieses Projekts besteht darin, Lösungen zu entwickeln und umzusetzen, die auf die negativen Auswirkungen des demographischen und sozialen Wandels in mitteleuropäischen Kleinstädten reagieren. Diese Maßnahmen haben zum Ziel, die Lebensqualität der Einwohner zu erhöhen und das Interesse potentieller Neubürger zu wecken. „Zu den Maßnahmen gehören“, so Ludewig, „die Steigerung der Attraktivität von Innenstadtzentren, Infrastruktur, Wohnen und des kulturellen Angebots – sowie des Nahverkehrs in und um die Kleinstadt. Eine weitere wichtige Maßnahme von QUALIST ist das gezielte Regionalmarketing.“

 

Resümee der Dresdenreise

Auch wenn die Leader-Region sicherlich nicht direkt mit dem Freistaat Sachsen vergleichbar ist, können Impulse für das eigene Gebiet mitgenommen werden.
Infos zu LEADER NÖ Süd: www.leader-noe-sued.at

Schreibe einen Kommentar