Für jene, die sich die Mühe gemacht haben jahrelang die immer wieder beschworenen „Erfolgsberichte“ der ÖBB zu verfolgen, war die Pressekonferenz von Bundesministerin Doris Bures, ÖBB-Aufsichtsratsvorsitzenden Horst Pöchhacker und ÖBB-Generaldirektor Christian Kern am Freitag ein Höhepunkt an manipulativer Darstellung, ja geradezu an Dreistigkeit.
So klar wie jetzt wurde noch nie vorgeführt, dass die ÖBB seit Jahren von der Bauwirtschaft beherrscht wird und zwar durch die Person des ÖBB-Aufsichtsratsvorsitzenden Horst Pöchhacker, jahrzehntelang Vorstand eines der größten heimischen Bauunternehmens und Präsident der Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen gewesen ist.
Drei Themen im Mittelpunkt
– Der Öffentlichkeit sollte eingeredet werden, der Bahn gehe es prächtig. Dieser Verdienst liege ausschließlich bei ÖBB-Generaldirektor Christian Kern, der aufgrund seiner „Erfolge“ auch weiterhin für die Bahn „gewonnen werden sollte“. Selbstverständlich wurde verschwiegen, dass der jährliche Zuschussbedarf für das „System Bahn“ durch den Steuerzahler seit seinem Amtsantritt um rund zehn Prozent auf rund 7,4 Milliarden Euro gestiegen ist.
– Für die nächsten fünf Jahre hat man sich die üblichen unverbindlichen „Ziele“ – wie der Verlagerung auf die Schiene – vorgenommen, wobei man bereits jetzt mit dem Hinweis, dass dies von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung abhängen wird, dem vorprogrammierten Scheiteren bereits vorgebaut hat. Selbstverständlich wurde auch hier die traurige Wahrheit verschwiegen, dass trotz Milliardeninvestitionen in den letzten 25 Jahren der Marktanteil der Schiene gesunken ist.
– Konkret wurde man nur in einem Punkt: 12,7 Milliarden Euro werden laut Beschluss der Bundesregierung für die Fortsetzung der Infrastrukturoffensive bis 2018 ausgegeben. Hier verstieg sich Bundesministerin Doris Bures zur Behauptung: „Die Investitionen rechnen sich hundertfach, was den kommenden Generationen zu Gute kommen wird.“ Leider rechnen sich aber die Investitionen in den nächsten hundert Jahren nicht einmal einfach, geschweige denn hunderterfach. Ihr kongenialer Partner, ÖBB-Aufsichtsratsvorsitzender Horst Pöchhacker, sekundierte, indem er den ÖBB-Schulden absprach überhaupt Schulden zu sein. Kein Wunder: In den Büchern der Bauindustrie sind es keine Schulden, sondern Auftragsvolumina, Umsätze und Gewinne. Und der Bürger, der all dies zahlen darf, wird wohlweislich nicht befragt (denn laut Meinungsumfragen sprechen sich 70% aller Österreicher wegen der sich daraus ergebenden Schuldenmisere gegen die Tunnelprojekte der Bahn aus).
Um die Fiktion der Sinnhaftigkeit dieser gigantischen Verschwendung von Steuermitteln aufrechtzuerhalten, geben die ÖBB Unsummen für Werbung (Bewusstseinsbildung) und das Wohlverhalten von wichtigen Medien aus (Anzeigen, Kooperationen). Darin liegt sicher ein Grund, warum die sogenannte vierte Gewalt die Öffentlichkeit über diese Fehlentwicklungen nicht entsprechend aufklärt. Als Beweis dafür möge auch die Berichterstattung über diese Pressekonferenz dienen: Es gab keinen einzigen Kommentar zu dieser Veranstaltung, obgleich die wechselseitigen Lobeshymnen der drei Teilnehmer die Erinnerung an die abgehobene Selbstbeweihräucherung der SED-Parteitage knapp vor dem Mauerfall aufleben lassen.
Aufgrund wirtschaftlicher Sachzwänge scheinen die Medien die Wahrheit nicht schreiben zu wollen, folglich sind sie in tiefes Schweigen versunken. Später einmal können sie behaupten, die gewaltige Geldverschwendung zumindest nicht durch eigene Kommentare aktiv unterstützt und – sehr vereinzelt – einen kritischen Kommentar zugelassen zu haben. Für guten, kritischen Journalismus scheint hierzulande zunehmend die finanzielle Basis, aber auch das notwendige Informationsniveau und der klare moralisch-ethische Kompass zu fehlen.