Die geplante Lagerung des Gesteins aus dem umstrittenen Semmering-Basistunnel sorgt für heftige Kritik. Da ist einerseits der Longsgraben im steirischen Steinhaus – das Naturjuwel soll zugeschüttet werden. Andererseits der heftige Widerstand gegen eine riesige Verladestation in Sollenau (Bezirk Wiener Neustadt). Jetzt soll das Material aus dem Berg in Schönau an der Triesting (Bezirk Baden) gelagert und verladen werden. Die Staub- und Lärmbelästigung ändert sich dadurch wohl nicht.
Als die Bezirkshauptmannschaft in Wiener Neustadt im September das Wopfinger-Projekt eines gigantischen Umladebahnhofs samt Deponie für das ausgegrabene Material aus dem Semmering-Basistunnel in Sollenau ‚ruhend gestellt‘ hatte, schauten sich die Betonmischer aus Wopfing nach einer Alternative um. Diese dürfte sich im benachbarten Schönau an der Triesting auftun. Die Wopfinger Transportbeton GmbH wollte bekanntlich in Sollenau auf einem Areal des Bundesheeres in Großmittel neben einer Wohnsiedlung eine etwa 400 Meter lange Verladestation für rund 1,6 Millionen Kubikmeter Ausbruchmaterial aus dem Semmering-Basistunnel bauen. Zehn Jahre lang wären hier täglich zwei bis drei Güterzüge mit jeweils rund 50 Waggons mit Gestein aus dem Semmering-Basistunnel eingelaufen, das Gestein wäre in eine drei Meter tiefe Zwischenlager gekippt worden und von hier mit Lastwagen in die Aushubdeponie der Wopfinger Transportbeton gekarrt worden. Wie viel Staub ein Schotter-Lastwagen aufwirbelt, kann sich jeder leicht vorstellen, der einmal hinter so einem Laster herfahren musste. Und hierbei handelt es sich schließlich nicht um einen Kipplaster hie und da, sondern um rund 100 bis 150 Fahrten täglich über einen Zeitraum von zehn Jahren.
Der Sollenauer Bürgermeister Stefan Wöckl war damals ziemlich verwundert, um nicht zu sagen, verärgert. Erfuhr er doch von den Wopfinger-Plänen erst im letzten Moment. „Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Angesichts des Projektumfanges wurde das monatelang still und heimlich vorbereitet ohne mit uns ein Wort zu sprechen“, wettert der Ortschef, und wittert einen Schildbürgerstreich. Zumal die B17-Umfahrung noch gar nicht so lange um rund 80 Millionen Euro gebaut wurde, um die Gemeinde vom tobenden Lkw-Chaos zu befreien – und jetzt sollte von Wopfinger ein neuerlicher Verkehrs-Tsunami losgetreten werden. Die Anrainer befürchteten einen „Supergau in Sachen Lärm“ und formierten sich zum Widerstand, worauf die Bundesheer-Verantwortlichen im Frühjahr Verantwortung für die Bevölkerung zeigten – und das Areal an Wopfinger nicht abgaben. Der massive Widerstand in Sollenau beendete hier den Plan, mit der gewaltigen Verladestation für einen „Lärm- und Staub-Supergau“ zu sorgen.
Neuer Angriff auf die Lebensqualität
Doch jetzt ist das Problem wieder heimlich, still und leise aufgetaucht – nicht in Sollenau, sondern im nördlich angrenzenden Schönau an der Triesting, und daher nicht im Bezirk Wiener Neustadt, sondern im Bezirk Baden, wo Bezirkshauptmann Heinz Zimper dem Megaprojekt des Betonriesen nicht so kritisch gegenüberstehen dürfte, wie sein Wiener Neustädter Amtskollege. „Techniker von Wopfinger und der Bezirksbehörde arbeiten das Projekt aus. Die Planung soll noch heuer abgeschlossen werden. Unsere Sachverständigen schauen, wo es Bedenken für die Öffentlichkeit gibt. Wie hoch die Transportfrequenz sein wird, kann ich heute noch nicht sagen“, meinte Bezirkshauptmann Heinz Zimper gegenüber Schwarzataler-Online Donnerstag.
Eine Gemeinderatssitzung in Schönau an der Triesting, bei der über die Verpachtung des Grundstückes an die Wopfinger Transportbeton abgestimmt hätte werden sollen, wurde im Oktober aufgrund der Proteste in Sollenau kurzfristig abgesagt und bis heute nicht wieder einberufen. „Nach ein paar Recherchen und Telefonaten war uns klar, dass es hier erneut um das ursprünglich im Oktober 2013 am Truppen-Übungsplatz Großmittel eingereichte Bahnhofprojekt der Wopfinger Transportbeton geht“, skizziert Elisabeth Gasser vom ‚Bürgerprotest Sollenau‘. Der Ort des geplanten Schotterumschlagplatzes und Verladebahnhofes liegt nun nicht mehr in Sollenau, sondern grad einmal zwei Kilometer von der Wohnsiedlung in Sollenau entfernt – und damit im Bezirk Baden. „Die schweren Güterzüge würden trotzdem durch Sollenau rattern. Die Gleisanlagen sind uralt und die Schienenstöße extrem laut. Wir sind nach wie vor gegen den Schotterbahnhof, egal ob er in Sollenau oder am Ende der B-17-Umfahrung in Schönau errichtet werden soll.“
Die Schönauer Bürgermeisterin Brigitte Lasinger gab zu, dass die Schotterlastwagen – mindestens 80 Fahrten täglich – auf der neuen B17-Trasse durch Sollenau zu einer Schottergrube in Eggendorf fahren würden. Als Deponie und Umladestation sei ein Grundstück in Schönau an der Triesting östlich des Kreisverkehrs Sollenau-Nord am nördlichen Endes der B 17-Umfahrung ins Auge gefasst worden, bestätigte die Bürgermeisterin auf Schwarzataler-Online-Anfrage. Nun soll also das künftig anfallende Ausbruchmaterial von Gloggnitz nach Schönau an der Triesting transportiert werden und dann mit Lastwagen nach Eggendorf, um in einer der Schottergruben bis zur Weiterverarbeitung durch Wopfinger zu lagern.
Seitens der Wopfinger Transportbeton GmbH wurde trotz mehrerer Anrufe bis heute jegliche Auskunft verweigert. Die ‚Zuständigen‘ riefen, obwohl vom Sekretariat versprochen, einfach nicht zurück.
Die Schottermassen vom steirischen Teil der umstrittenen Röhre vernichten ein Naturjuwel – den Longsgraben in Steinhaus. Das Tal wird komplett unter den Geröllmassen aus dem Tunnelbau verschwinden. Der Bauer Martin Spreitzhofer kämpfte mit viel Enthusiasmus und Herzblut gegen die Enteignung seines 24 Hektar großen Grundstückes im Longsgraben. Ende Mai hob der Landesverwaltungsgerichtshof in Graz die bereits erfolgte Enteignung wieder auf. Mittlerweile kletterten die ÖBB-Angebote in schwindelnde Höhen, der kämpferische Bauer gab schließlich dem Druck nach und verkaufte an die Tunnelbetreiber. Über Details des Deals wurde zwischen den Tunnel-Bauern und dem Longsgraben-Bauern eisernes Stillschweigen vereinbart. Man hört aber, dass unvorstellbare fünf Millionen Kubikmeter Gestein aus dem Berg im Longsgraben gelagert werden sollen. Ein Großteil davon wird über ein zweieinhalb Kilometer langes Förderband vom Fröschnitzgraben kommen und rund 150.000 Lastwagenfuhren sollen von Maria Schutz angekarrt und in den Longsgraben gekippt werden. Der Bach im Longsgraben fließt schon heute 60 Meter oberhalb seines früheren Bachbettes. Die Auswirkungen auf die Natur sind nach wie vor unbekannt. Naturschützer sorgen sich nicht nur um die Deponierungsfolgen, sondern auch und vor allem um den Wasserhaushalt im Berg. Schließlich fließen aus dem Probestollen des alten Basistunnel-Projekts in Mürzzuschlag immer noch riesige Mengen an Wasser aus dem Berg – und keiner der Tunnel-Betreiber schert sich darum. Aus den Augen aus dem Sinn. Das damalige Projekt wurde bekanntlich unter anderem wegen des Wasserverlustes gekippt. Und beim aktuellen Tunnelprojekt fließt etwa die dreifache Menge von Bergwasser ab.
Experte fordert Tunnel-Baustopp
Der Bau riesiger Bahntunnel trotz stagnierender Transportzahlen stößt seit Jahren auf Kritik, weil die Investitionen der Bahn schon in der Vergangenheit keine Mehrumsätze auf die Schiene brachten. Nationalbank-Präsident Claus Raidl spricht sich für einen Baustopp der Tunnel-Projekte Semmering und Brenner aus. Und eine unabhängige Untersuchung bestätigt, dass der Kosten-Nutzen-Wert beim Semmering-Basistunnel bei 0,20 bis 0,46 liegt. Volkswirtschaftlichen Nutzen bringen erst Werte ab 1,00. Davon ist der Semmering-Basistunnel weit entfernt. Das Gegenteil ist der Fall, denn weil der volkswirtschaftliche Nutzen weit unter den Finanzierungskosten liegt, macht der Tunnel den Staat – und damit uns alle – nur ärmer.
In der ZiB 2 meinte Österreichs Euro-Stratege Thomas Wieser am vergangenen Montag: „Teure Eisenbahntunnels kommen nicht gut weg, weil mehr Beton nicht mehr Wachstum bringt.“ Tunnelkritiker der ersten Stunde befürchten, dass die Tunnel-Betreiber jetzt so viel Geld wie möglich in das Projekt buttern wollen, um dann mit dem Argument, es sei ja schon so viel Geld investiert worden und es sei ‚unwirtschaftlich‘ da noch aufzuhören, versuchen werden, die SteuerzahlerInnen um den Finger zu wickeln. Immerhin wurde dieses Argument bereits im Streit um das Atomkraftwerk in Zwentendorf in den späten 1970ern von den damaligen Betonköpfen gern ventiliert – und es war damals schon falsch.
Die Deponiefrage ist noch lange nicht geklärt. Die Öffentlichkeit ist aufgerufen, sich einzuschalten und von den ‚Verantwortlichen‘ Aufklärung zu verlangen.