Obwohl im abgelaufenen Jahr weniger Unfälle im Einsatzgebiet der Ortsstelle Reichenau gezählt wurden, waren die Einsätze durchwegs schwerer und aufwendiger als in den Jahren zuvor. 2015 waren auf der Rax fünf Todesopfer zu beklagen.
Der erste schwere Unfall passierte am 10. Februar 2015. Dabei kam der frühere Hirschenkogel-Pressesprecher und sehr erfahrene Snowboarder und Bergfilmer Peter W. auf der vorderen Rax unter einer Lawine ums Leben. Elf Wintersportler – Skifahrer und Snowboarder – fuhren damals von der Raxbahn-Bergstation ins Tal. Als sich die Gruppe bei der Talstation wieder traf, fehlte Peter W. Bei der Suche entlang der Abfahrtsspur stießen die Sportkameraden im Bereich der Stütze 4 auf die Abrisskante einer gewaltigen Lawine. Etwa 600 Meter tiefer fanden sie den fast völlig verschütteten Snowboarder. Die sofort alarmierte Bergrettung Reichenau begann mit 13 Mann die Bergung. Einige Bergretter wurden von der Seilbahngondel abgeseilt, da das Befahren des Seilbahngrabens wegen der hohen Lawinengefahr zu gefährlich war. Der Notarzthubschrauber konnte wegen Sturmböen bis zu 100 Stundenkilometer erst gar nicht eingesetzt werden. Nach einer mehrstündigen Rettungsaktion konnte der Arzt nur noch den Tod von Peter W. feststellen.
Am 25. Mai kam es am Wachthüttelkamm zu einem tragischen Unfall. Nachdem ein 19-jähriger Wiener nicht zum vereinbarten Treffpunkt ins Weichtal kam, wurde in einer groß angelegten Suchaktion nach ihm gesucht. Erst am nächsten Tag konnte der junge Wiener im „Großen Höllental“ im Bereich Preintalersteig tot gefunden werden. Der junge Tourist war erfahren und gut ausgerüstet, allerdings herrschte zum Zeitpunkt des Unglücks dichter Nebel und der Boden war von einer tagelangen Schlechtwetterperiode ziemlich rutschig und eisglatt.
Zu einem weiteren schweren Unfall kam es am 5. Juni im oberen Bereich des Preinerwandsteiges. Auf 1.670 m Höhe stürzte am späten Nachmittag ein ungarischer Tourist mehrere Meter über Schrofen in die Tiefe. Er verletzte sich dabei am linken Knöchel so schwer, dass er nicht mehr selbstständiger absteigen konnte. Gegen Mitternacht erreichten die alarmierten Rettungskräfte den Verunglückten. Da sich die Unfallstelle in einem besonders steinschlaggefährdeten Gelände befand, konnte der Abtransport in der Nacht nicht mehr riskiert werden. Der Verletzte wurde von den Bergrettern versorgt, außerdem richteten sie ein Biwak ein und in den frühen Morgenstunden des 6. Juni konnte der Verletzte vom Notarzthubschrauber C3 mit einem Tau geborgen und in das Krankenhaus Wiener Neustadt geflogen werden.
Am Donnerstag den 2. Juli gegen 14 Uhr stürzen zwei Tschechen aus der Preinerwand rund 50 Meter in die Tiefe. Sie erlagen ihren schweren Verletzungen noch an der Unfallstelle.
Am Montag den 24. August um 12:58 Uhr erreichte ein Hilferuf die Ortsstelle Reichenau. Der Anrufer meldete, dass in der Nähe des Jakobskogels unweit vom Otto-Hauses ein 55-jähriger Bergsteiger nach einer Kreislaufschwäche gestürzt und ein Atemstillstand eingetreten sei. Als die Retter den Mann erreichten, konnte nur noch der Tod des Touristen festgestellt werden. Es war dies im heurigen Jahr bereits das fünfte Todesopfer auf der Rax. Insgesamt kamen 2015 in den Bergen Niederösterreichs zehn Menschen ums Leben.
50 Einsätze für die Bergrettung
Die Bergrettung Reichenau wurde 2015 zu 50 Einsätze gerufen. Die meisten Verunglückten mussten nach Stürzen auf Bergwanderungen geborgen werden. Etliche erlitten Knochenbrüche. Vermehrt erlitten Touristen auch Kreislaufprobleme verursacht durch die andauernde Hitzewelle und auffallend oft musste Personen aus „misslichen Situationen“ gerettet werden, nachdem sie sich verirrt oder verstiegen hatten, beziehungsweise überhaupt auf einem falschen Weg unterwegs waren.
Ohne Übungen geht gar nix
Um den Anforderungen der Berge gerecht zu werden, sind viele Ausbildungsstunden notwendig. Neben den internen Ortsstellen-Übungen war die Ortsstelle Reichenau auch bei der Gebietsübung Süd am 19. September im Großen Höllental federführend. An diesen Übungen waren 78 Bergretter aus acht Ortsstellen der Einsatzgruppe Süd beteiligt. Sie mussten dabei unter anderen sieben Touristen aus einer 300 Meter hohen Felswand bergen. Kurios dabei, einige Stunden vor Übungsbeginn wurde von den Reichenauer Bergrettern ein junges Pärchen aus eben dieser Wand geborgen, nachdem sich die zwei jungen Kletterer verstiegen hatten und nicht mehr vor oder zurück konnten.
Keine Seilbahn bis Juni
„Es ist zu befürchten dass im kommenden Jahr die Einsätze noch schwieriger werden. Da bis im Juni 2016 die Raxbahn wegen Renovierungsarbeiten total gesperrt ist“, skizziert Helmut Dittler von der Reichenauer bergrettung, „Es wird daher eine größere Anzahl von Helfer bei Rettungsaktionen auf der Hochfläche benötigt werden. Außerdem wird sich die Anmarschzeit durch das Fehlen der Raxseilbahn drastisch erhöhen.“ Von der Bergrettung Reichenau wurde bereits in den vergangen Tagen zusätzliches Rettungsgerät und Sanitätsmaterial an stark frequentierten Stützpunkten gebunkert. Außerdem werden, vor allem an den Wochenenden, auf der Trinksteinhütte die Dienstmannschaften verstärkt anwesend sein.
Generell hat sich die Situation auch im Bereich der vorderen Rax verändert. Durch das Fehlen von großen Bereichen des Schutzwaldes durch Windbruch und den ungünstigen Schneedeckenaufbau, bedingt durch die bereits in den letzten Jahren immer wieder auftretenden Wetterkapriolen (Warm-, und Kaltwetterfronten sowie Sturm) wird die Bildung von Lawinen begünstigt.
Vom Befahren der Abfahrten Schöller und Seilbahngraben rät die Bergrettung dringend ab☮
Foto: Bergrettung, RAXmedia