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Der Oud-Meister Hafer Youssef lud für sein neues Album ‚Street of Minarets‘ große Meister ins Studio

Manche Alben entstehen durch spontane Impulse oder während zufälliger Proben. Andere dagegen müssen wie guter Wein reifen – und die Zeit für sich arbeiten lassen. Reife ist genau das, wofür das neue Album Street of Minarets des tunesischen Oud-Meisters und Sängers Dhafer Youssef steht. Während das Komponieren seines vorangegangenen Albums Sounds of Mirrors – es erschien 2018 – mit einer Kombination aus eigener Note und indischer Musik für Dhafer ziemlich offensichtlich war, erforderte Street of Minarets fünf Jahre Recherche und eine Menge harter Arbeit. Am vergangenen Freitag landete Street of Minarets auf der Scheibenwelt … und es ist ein wunderbares Album mit vielen Bekannten.

Herbie Hancock war Dhafer Youssefs erste Wahl. Dem Vorschlag seiner Frau folgend bat er Herbie, an der Aufnahmesession teilzunehmen. Herbie akzeptierte die Anfrage sofort, allerdings unter einer sehr erfreulichen Bedingung – Dhafer sollte auch auf Herbies kommender Platte spielen. Wie Herbie Hancock war auch Marcus Miller an mehreren Alben von Miles Davis beteiligt, die Dhafer zutiefst inspiriert haben. Mit Hancock und Miller als feste Säulen begannen vor fünf Jahren die Aufnahmen im ‚Sunset Boulevard Studio‘ in Los Angeles, Kalifornien (USA) wo auch durch weitere wunderbare Musiker pure Magie herrschte: Dave Holland, Nguyên Lê, Vinnie Colaiuta und Ambrose Akinmusire fanden sich im Studio ein.

Für Dhafers neue musikalische Reise wollen wir ein wenig in seine bisherige Laufbahn eintauchen. Der Oud-Meister kam schon in jungen Jahren durch die Religion zur Musik. Im Alter von sechs Jahren sang er in seinem tunesischen Heimatdorf Téboulba, 25 Kilometer von Monastir entfernt, auf Hochzeitsfeiern. Dann entdeckte er die Oud und übte sie bis zur Perfektion. Ende der 1980er Jahre zog Dhafer nach Wien, um klassische Musik zu studieren. Diese Zeit, in der er auch Enttäuschung, Einsamkeit und Armut durchlebte, wurde zum Karrieremeilenstein, denn Dhafer bekam die Chance, im bekannten Wiener Jazzclub Porgy and Bess zu spielen.

Heute spiegelt sich seine lange und harte Arbeit, die zu einer perfekten Technik, zu Virtuosität und unbändiger Energie geführt hat, auf der Bühne wider. Auch nach 13-jähriger Karriere mit insgesamt acht Alben und zahlreichen weltweiten Tourneen brennt es immer noch in Dhafers Seele.

An Dhafer Youssefs neuem Meisterwerk waren folgende legendäre Musiker beteiligt:

Herbie Hancock am Klavier

Marcus Miller am Bass

Nguyên Lê an der Gitarre

Rakesh Chaurasia auf der Flöte

Adriano Dos Santos Tenori an den Percussions

Dave Holland spielt den Kontrabass

Vinnie Colaiuta am Schlagzeug

Ambrose Akinmusire an der Trompete

Natürlich hätte Dhafer Youssef aufgrund der Anwesenheit derartiger Ikonen irritiert sein können. Doch wer Street of Minarets hört, erlebt das genaue Gegenteil: Der Oud-Meister lässt sich durch ihre Erfahrungen und grandiose Musikalität inspirieren und fügt ihren Beiträgen seine eigene musikalische Handschrift hinzu – eine Brücke zwischen Ost und West, genauer gesagt: eine Brücke zwischen indischer und arabischer Musik sowie westlicher Klassik und Jazz.

Dhafer gesteht, dass er das Album in entgegengesetzter Weise wie normalerweise geschrieben hat. Zuerst überlegte er, wer an seiner Platte aktiv teilnehmen soll, erst dann komponierte er – mit seinen Gästen im Hinterkopf – die Musik.

„Das Thema des Albums dreht sich in erster Linie ums Reisen…“, skizziert Dhafer, „Nachdem ich auf der Suche nach neuen Klängen bis in die äußersten Ecken der Welt gefahren bin, singe ich hier völlig anders und verwende Gesangseffekte, mit denen ich aufgewachsen bin. Vor allem den Klang eines Megafons bei Gebetsrufen – daher der Albumtitel Streets Of Minarets.“ Auch die übrigen Gäste nahmen an einer wahrlich magischen Reise teil. Die Flöte von Rakesh Chaurasias und die Percussions von Adriano Dos Santos Tenoris wurden in Paris aufgenommen. Der Album-Mix fand in Nguyên Lês Homestudio im französischen Lyon unter der Aufsicht von Steve Argüelles statt, das Mastering im schwedischen Göteborg.

„Dies ist auch eine Reise durch die Zeit“, sagt Dhafer. „Die Brücke besteht ebenso zwischen dem Kind, das ich war, einem Musikliebhaber und Bewunderer der großen Meister Miles, Herbie, Dave…, und dem erwachsenen Individuum, das ich geworden bin. Eine Brücke zwischen dem Jazz der 1950er und seiner rockigeren Version der 1980er Jahre. Ich wollte zeigen, dass ich als Musiker permanent in Bewegung bin, um nicht als Kitsch oder Exot abgestempelt zu werden.“

Das Album beginnt mit dem atmosphärischen Titeltrack Street of Minarets und reißt seine Zuhörer sofort mit. ‚Bal d`âme‘ (welch ein Titel!) gelingt ein cinematografischer Übergang und schafft einen Dialog zwischen Dhafers Oud und Herbies Klavier. Dieser Dialog verwandelt sich mit dem dritten Track ‚SharQ Suite 1: SharQ Serenade‘ in eine Agora. Marcus Millers Bass, Vinnie Colaiutas Schlagzeug und Ambrose Akinmusires Trompete haben einen gefühlvollen Auftritt und führen während des gesamten Albums ein Zwiegespräch. Nicht zu vergessen die Synkopen in ‚Funky SharQ‘, bei denen Herbies Keyboard-Schichten an The Headhunters erinnern, oder das scharfe Bass-Slapping von Marcus Miller in ‚Sudra Funk‘.

Wer hätte gedacht, dass die Oud, eine orientalische Laute mit abgerundetem Bauch, eine Funk-artige Dimension einnehmen könnte? Vor allem, wer hätte vor 40 Jahren gedacht, dass man Miles Davis Trompete mit Synthesizern und elektronischem Schlagzeug kombinieren kann, ohne dass sie auch nur eine Sekunde lang verloren geht? Mut ist halt immer noch ein Zeichen von wahrer Größe, schildert Erwan Benezet.

Fotos © Arno Lamo, Promotion

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