Zwei Künstlerinnen, die in ihren Arbeiten digitale Werkzeuge einsetzen, eröffnen nach dem traditionellen full house am Wochenende des 22. und 23. April die Ausstellungssaison 2023 am Gut Gasteil (Gemeinde Prigglitz). Für Birgit Sauer sind sie eine von einer ganzen Palette an Techniken, die sie kombiniert und mit denen sie begeistert experimentiert. Ursula Hentschläger verwendet digitale Möglichkeiten in vielen Schritten der Bildgewinnung und Bildbearbeitung und produziert erst in der Abschlussphase das materielle Bild als digitalen Ausdruck. Beim full house gibt es diesmal zusätzlich zu den Werken von Künstlern, die bereits zum vergangenen Saisonschluss zur Auswahl standen, Arbeiten von Peter Baldinger und neue kleine szenen von Charlotte Seidl zu sehen.
Mit ihren kleinen szenen und einer großen Frauenskulptur ist Charlotte Seidl heuer auch außerhalb von Gut Gasteil prominent vertreten: Bei der Mitgliederausstellung im Künstlerhaus in Wien mit dem Titel ‚HUMAN_NATURE‘ zeigt sie von 15. Juni bis 17. September nicht weniger als 81 ihrer in Ton geritzten und gebrannten Bilder. Darin greift sie wie in einer Momentaufnahme einer Erzählung gesellschaftliche und persönliche Themen auf. Und im Skulpturenpark Lisztzentrum in Raiding wird ab 11. Mai eine große Wasserfrau an der diesjährigen Ausstellung teilnehmen. Zu jedem Werk wird ein passender Spruch von Franz Liszt ausgewählt und zum Kunstwerk platziert.
Birgit Sauer – denn Bleiben ist nirgends
Die Freude am Experimentieren führt die seit vielen Jahren im Burgenland lebende und arbeitende bildende Künstlerin Birgit Sauer in immer wieder neue technische Umsetzungsformen ihrer Inhalte. Sie erprobt zur Zeit Kombinationen mit Lasercutter, Siebdruck und Sublimationsfarben, also Farben, die in den Trägerstoff eingedampft werden, und bearbeitet mit der Fächerscheibe Aluminiumplatten in großen, manchmal kreisrunden Formaten So entstehen ihre vorwiegend weiblichen Protagonistinnen, meist in schemenhaften Teilansichten und in kraftvoll-leuchtenden Farben und sie stellen auf selbstbewusst-sinnliche Art Vieles in Frage: Wahrheiten, Perspektiven und Rollen.
Aus der kraftvollen, großflächigen Kaltnadelradierung, mit der sich Birgit Sauer zu Beginn ihrer künstlerischen Arbeit in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts den abstrakten Formen widmete, wandelten sich die Bildthemen zunehmend in eine, wenngleich unscharfe, figurale Gestaltung. Der gestische Charakter ist sowohl in den frühen, wie in den aktuellen Bildern eine prägende Konstante – und auch die Radierung hat immer noch ihren Platz. Das manuelle Arbeiten hat bei Sauer einen hohen Stellenwert: die Herausforderung des Materials und der Formate, die körperliche Anstrengung und der Materialwiderstand der unterschiedlichen Metalle als Grundfläche des Bildes, in die sie beispielsweise mit der Fächerscheibe in vielschichtigen Schleifen energische Spuren legt und damit den Raum öffnet. Darüber kommt die transparente Farbe oft mit Airbrush oder mit Siebdruck. Als Vorlage für ihre Figuren dienen inszenierte Fotos, die in Fragmenten dann auf das Trägermaterial übertragen werden. Kraftstrotzend-warmes Rot, innig-strahlendes Grün oder Blau. Immer wieder sind es die Kontraste, die sowohl in der Farbgebung als auch in der Ausführung auffallen.
Ursula Hentschläger – inspiriert von Naturgewalten
Der erste Eindruck ist eine malerische Unschärfe, eine starke Abstraktion, aus der nach genauerer Betrachtung figurale Formen hervortreten können und die persönliche Assoziationskette in Gang setzen. Ursula Hentschlägers Bilder sind digitale Bearbeitungen digitaler Aufnahmen, die schließlich digital ausgedruckt werden. Sie thematisieren die Komplexität der Welt und laden auf unterschiedlicher Ebene zur Auseinandersetzung ein.
Für ihre Bildobjekte lässt sich die 1963 in Linz geborene Künstlerin von den Elementen der Natur inspirieren. Sie hält mit ihrer Kamera mit starkem Teleobjektiv Ausschnitte ihres Erlebens fest, die ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das war zunächst das Wasser, dann Gestein und Holz in den vielen Ausgestaltungen, und das Feuer. Dabei sind es sowohl die Sinnlichkeit als auch die Wildheit, die die multimedial aktive Künstlerin faszinieren. Denn das Prinzip der Naturgewalt, das diese Elemente in sich einschließen, relativiert die vermeintliche Dominanz des Menschen in der Konfrontation mit seinem Lebensraum und stellt sie immer wieder in Frage.
Der Vielschichtigkeit des Deutungsspektrums entspricht auch die Arbeitsweise. Das stark vergrößerte Ursprungsfoto stellt die bildgebende Ebene dar, die im Computer in vielen Schritten und Schichten bearbeitet wird. Die dargestellten Strukturen und Details werden verstärkt, hervorgehoben oder abgeschwächt. Im finalen Schritt erfolgt der Druck des virtuellen Bildes auf das jeweils speziell ausgewählte Trägermedium – Holz, Glas oder Aluplatten in meist größeren Formaten oder in Gruppen angeordnet.
Einführende Worte zu den Künstlerinnen spricht Mag. Maria Christine Holter, Kunsthistorikerin und Kuratorin
Kunst in der Landschaft: Frauen, Androgyne und ‚Aus dem Spiel‘
In der Kunst in der Landschaft in dem 14 Hektar großen Wiesenstück südlich der Galerie sind zu Saisonbeginn eine ganze Reihe an neuen Frauenfiguren, Androgynen und Exemplaren aus der neuen Serie Aus dem Spiel von Charlotte Seidl zu sehen. Neben ihren oft hochragenden, elegant-minimalistisch geformten Frauen- und androgynen Skulpturen, hat sich bei der Bildhauerin in jüngster Zeit eine neue Form der Figuren entwickelt. Sie erscheinen kantiger, grobflächig und in der Proportion überzeichnet. Entstanden sind sie spielerisch, in der Beschäftigung mit den Enkelkindern in zunächst kleiner Dimension als Teile eines Spiels – und irgendwann erfolgte die Übertragung in ein lebens- bis überlebensgroßes Format.
Aus dem Spiel sind sie also entstanden und gleichzeitig entziehen sie sich der Kategorisierung und nehmen sich so wiederum aus dem Spiel. In ihrer durchaus grotesken Erscheinung verkörpern sie das spielerische Element in ihrem Äußeren und können sinnbildlich gleichzeitig als Außenseiter aus vielerlei Gründen gelten. Damit entsprechen sie nicht den Gruppen- und gesellschaftlichen Konventionen und werden daher häufig aus dem Spiel gedrängt. Tom und Erster sind die aktuellen Vertreter dieser Serie.
Parallel zum Kunstangebot läuft das kulinarische Programm im Biobuffet mit kleinen Speisen vorwiegend von regionalen Betrieben, Biokaffee und Kuchen.
Kunst in der Landschaft XIII: „mehr oder weniger“
full house: 22. und 23. April 2023, 10 – 18 Uhr
- Saisonausstellung 2023 | Birgit Sauer und Ursula Hentschläger | 30. April – 18. Juni, Sa., So. und Feiertag 10 – 18 Uhr | Eröffnung: 29. April, 18.00 Uhr
Für Interessierte bietet das Gut Gasteil einen Newsletter, wo jeweils über das aktuelle Geschehen informiert wird.
Fotos © Galerie Gut Gasteil, ausstellende Künstlerinnen