Seit Ende Juni läuft heuer die Olympia-Qualifikation für Paris 2024. Das IJF World Masters vom 20. bis 22. Dezember in der Pais Arena in Jerusalem (Israel) war gemeinsam mit der Weltmeisterschaft in Tashkent (Usbekistan) das wichtigste Turnier dieses Jahres. Die 36 weltbesten Judoka in jeder Gewichtsklasse waren startberechtigt. Mit von der Partie war Österreichs derzeit erfolgreichste Judoathletin vom JC Wimpassing Sparkasse, die aus Reichenau stammende Vize-Olympia-Siegerin Michaela ‚Michi‘ Polleres. Der Schützling von Langzeittrainer Adi Zeltner wurde in Jerusalem von Headcoach Yvonne Snir-Bönisch und Nationaltrainer Robert Krawczyk bestens betreut. Die optimale Zusammenarbeit spiegelt sich im erbrachten Ergebnis wider. Denn Österreich darf sich mit Michi Polleres über den allerersten Masters-Titel in der Geschichte des österreichischen Judosports freuen, den Michi in Jerusalem errang.
Michi Polleres erwischte in Jerusalem einen unglaublich starken Wettkampftag. Sie konnte ihre Topform abrufen und alle ihre Kontrahentinnen in der Klasse bis 70 Kilo in die Schranken weisen. Im Auftaktkampf gegen die U23-EM-Dritte Nataliia Chystiakova aus der Ukraine startete sie schon nach wenigen Kampfsekunden mit einem Waza-ari (Halbpunkt) für rechten Ura-nage (Aushebetechnik). Ein weiterer Halbpunkt für rechten Uchi-Mata (Innenschenkelwurf) bescherte ihr den vorzeitigen Ippon-Sieg.
Den Kampf in Runde 2 gegen die Schwedin Ida Erikson, die zuletzt Rang 7 beim Grand Slam in Tokyo erkämpfte, entschied die HSZ-Seebenstein-Athletin rasch mit Ippon für linken Tani-otoshi (Talfallzug).
Somit kam es im Viertelfinale erneut zum Aufeinandertreffen mit der derzeitigen Weltranglistenersten Sanne Van Dijke. Dieser Fight wurde vorzeitig und völlig zu Recht durch Disqualifikation der Holländerin für „Waki-gatame“ (verbotener Armhebel: am Stand angesetzt und weiter zu Boden geführt) entschieden. Michi wurde daraufhin der Ippon zugesprochen und konnte somit im direkten Duell auf 5:5 gleichziehen.
Die in Ternitz lebende Reichenauerin stand daraufhin im Halbfinale gegen die Belgierin Gabriella Willems, die zuletzt zweimal Silber beim Grand Slam in Abu Dhabi (Hauptstadt des Emirats Abu Dhabi) und in Baku (Aserbeidschan) erkämpfen konnte. In diesem Kampf war Michi von Beginn an sehr dominant und konnte auch mit Waza-ari für linken Uchi-mata rasch in Führung gehen. Die zweite Wertung gelang ihr durch eine Wurfkombination Uchi-mata/Uki-waza (Selbstfalltechnik), wodurch sie sich den Finaleinzug sicherte.
Im Kampf um Gold kam es gegen Ex-Weltmeisterin Marie-Eve Gahie aus Frankreich zur Neuauflage des heurigen Heim-Weltcup-Finales von Oberwart. Gleich zu Beginn überraschte die Französin zunächst mit einer Beinfege-Kontertechnik und ging damit mit Waza-ari in Führung. Etwa zur Halbzeit schaffte die Wimpassingerin, zur Freude ihres Heimtrainers, mit einer am Stützpunkt immer wieder trainierten Beinfeger-Kombination verdient den Ausgleich. Mit Gleichstand ging es somit in die Golden-Score Verlängerung. Die Heeressportlerin erzielte dabei mit einer weiteren schönen Wurfkombination Ausheber/Ko-soto-gari (Beinfeger) den zweiten und entscheidenden Waza-ari zum verdienten Ippon-Sieg im Masters-Finale.
Für Österreichs frisch gekrönte Masters-Siegerin Michaela Polleres ist das nun nach Masters-Bronze 2018 in Guangzhou (VR China), WM-Bronze 2021 in Budapest (Ungarn) und der Olympia-Silbermedaille 2021 in Tokyo (Japan) die bereits vierte ganz große Medaille auf allerhöchster World Tour Ebene. Die so erreichten 1.800 Punkte bringen sie aktuell als ÖJV-Top-Scorer auf Rang 4 der IJF-Weltrangliste mit derzeit 4.997 Punkten.
Michi Polleres schildert : „Marie Gahie ist richtig stark in den Finalkampf gestartet. Beim ersten Wurf habe ich mir noch gedacht: Das darf ja nicht wahr sein, so schnell in Rückstand zu geraten. Aber dann bin ich immer stärker geworden und konnte zum Glück schnell ausgleichen. Ab dem Moment war mir dann klar, dass ich sie schlagen kann. Am Schluss war ich mental einfach stärker. Marie attackiert viel und das Kontern liegt mir – mit ihrem Kampfstil komme ich meistens sehr gut zu recht. Beim Masters jetzt in Jerusalem waren eigentlich noch mehr Topleute am Start als vergangenes Jahr bei Olympia in Tokio, weil hier ja mehr als nur ein Judoka pro Nation pro Gewichtsklasse erlaubt ist. Für mich persönlich ist dieser Erfolg daher ziemlich am selben Level wie Olympia-Silber, vor allem auch, weil es diesmal Gold ist. Jetzt bin ich am richtigen Weg in Richtung Olympische Spiele Paris 2024. Mein nächster Wettkampf-Auftritt wird dann kommenden Februar beim Grand Slam in Paris sein.“
Fotos: EJU/Gabi Juan